Betäubungsmittel – BtMG 3

Betäubungsmittelgesetz – Feststellungen zur Wirkstoffmenge

Mail hierzu an den Sachbearbeiter: RA H. Posner


4 St RR 110/2002

 

 

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

 

Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter am

Bayerischen Obersten Landesgericht Steiner, Kaiser und Gold

am 17. Oktober 2002

in dem Strafverfahren

gegen

H.

Verteidiger: RA Herbert Posner, Plauen,

wegen

unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 9. August 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
  2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen.

 

G r ü n d e :

I.

 

Mit der Revision, die wiederum auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt wurde, rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.

  • Das Amtsgericht Hof verurteilte den Angeklagten am 6.5.2002 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Freiheitsstrafe von drei Monaten. Die Berufung des Angeklagten, die dieser auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt hatte, verwarf das Landgericht Hof am 9.8.2002 als unbegründet.

II.

 

1. Die Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist allerdings unwirksam. Die Feststellungen des angegriffenen Urteils weisen nämlich, wie sich im folgenden ergibt, so weitgehende Lücken auf, daß sich der Umfang der Schuld des Angeklagten nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen läßt und die sonst in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ausnahmsweise zu verneinen ist (vgl. BGHSt 33, 59; BayObLGSt 1994, 253/254).

Das gleiche gilt für die vom Angeklagten erklärte Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung.

1.1 Amtsgericht und Landgericht haben insoweit, letzteres unbeschadet der Berufungsbeschränkung, jeweils festgestellt, daß der Angeklagte am 9.10.2001 in Frankfurt a. Main zwei Päckchen Heroin zum Preis von 50 DM erworben und diese anschließend teilweise konsumiert hat. Am 11.10.2001 wurden bei dem Angeklagten noch 0,25 Gramm Heroin sichergestellt (EU und BU jeweils S. 6).

1.2 Diese Feststellungen bilden wegen ihrer Lückenhaftigkeit keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen und damit auch für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie lassen nämlich den objektiven Unrechtsgehalt der Tat, der die Grundlage jeglicher Strafbemessung bildet, nicht ausreichend erkennen. Aus den Feststellungen geht nicht hervor, welches Gewicht das vom Angeklagten erworbene Rauschgift aufgewiesen und welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich darin befunden haben (vgl. hierzu BayObLGSt 1997, 95/96; 1999, 99/100 jeweils m.w.N.). Damit bleibt offen, wieviele Konsumeinheiten aus dem Rauschgift gewonnen werden konnten. Insoweit hat der Tatrichter aber entweder konkrete Feststellungen zum Gewicht des Rauschgifts und zu dessen Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten jeweils günstigsten Gewichtsmenge und Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Ist eine exakte Festlegung nicht möglich, so muß er unter Berücksichtigung anderer hinreichend sicher feststellbarer Tatumstände und letztlich in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo feststellen, von welcher Gesamtmenge an betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffen auszugehen ist.

Amtsgericht und Landgericht haben das nicht berücksichtigt, so daß nicht feststeht, welche Mindestanzahl an Konsumportionen aus der vom Angeklagten erworbenen Rauschgiftmenge gewonnen werden konnte. Hinzu kommt noch, daß das Landgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Angeklagte das sichergestellte Rauschgift ursprünglich selbst verbrauchen oder weitergeben wollte. Auch dieser Umstand ist für die Gewichtung der Straftat von Bedeutung. Angesichts der fehlenden Feststellungen war sowohl die Beschränkung der Berufung wie auch die Beschränkung der Revision unwirksam.

2. Der Umstand, daß der Angeklagte mit der Revision ausschließlich die Frage der Strafaussetzung angreift, läßt das Fehlen der Feststellungen zum Schuldumfang nicht als entbehrlich erscheinen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa BayObLGSt 1999, 105/106-107; Urteil v. 26.3.2002 – 4St RR 22/2002).

3. Die unwirksame und damit unbeachtliche Revisionsbeschränkung führt zur sachlich-rechtlichen Überprüfung des angegriffenen Urteils in vollem Umfang (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 344 Rn. 7 c). Diese Überprüfung zeigt die Lückenhaftigkeit der vom Landgericht zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen im oben dargelegten Umfang auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluß v. 12.6.2002 – 4St RR 58/2002) führt das zur Aufhebung der Schuldfeststellungen in ihrer Gesamtheit.

  • Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und begründet.

III.

 

Die Entscheidung ergeht durch einstimmig gefaßten Beschluß (§ 349 Abs. 4 StPO) und entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht.

  • Wegen der aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil daher mit den Feststellungen aufgehoben (§ 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird (§ 354 Abs. 2 StPO).