Zwickau: „Rockerprozess“ wegen eines von der Verteidigung gerügten Verfahrensfehlers am 08.05.13 zunächst ausgesetzt.

Neuauflage nun terminiert ab Januar 2014; Haftbefehl aufgehoben.

Im April begann vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Zwickau der Strafprozess um eine angeklagte Geiselnahme, in der Presse als "Rockerprozess" bezeichnet, da die am Verfahren Beteiligten sämtlich Mitglieder eines Motorrad-Clubs sind oder waren.

Bereits am ersten Tag der Hauptverhandlung rügten vier der fünf Verteidiger, dass die ihnen zugestellte Anklage das Datum 10.04.2012 trage, während der Eröffnungsbeschluss sich auf die verlesene Anklage mit Datum vom 29.08.2012 bezog.
Daher wurde die Aussetzung des Verfahrens und Nachholung der erforderlichen Formalien beantragt.

Der Staatsanwalt meinte, dass er sich die Abweichung im Datum nur so erklären könne, dass es sich bei dem der Verteidigung zugestellten Anklageexemplar ggf. um einen frühen Entwurf der Anklage gehandelt habe.

Offenbar war die Kammer, entgegen der Ansicht der Verteidiger, der Auffassung, es werde reichen, den Angeklagten und ihren Verteidigern eine Kopie der richtig datierten Anklageschrift auszuhändigen und ihnen Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme zu geben, da außer der Abweichung im Datum keinerlei Unterschied zwischen den Anklageschriften bestand.

Dieses Vorgehen rügten nun die Verteidiger in der Sitzung am 08.05.2013 erneut, da nach ihrer Auffassung die Aushändigung der korrekten Anklageschrift und Gelegenheit zur Stellungnahme erfolgten, jedoch aufgrund der Stellungnahmen das Gericht nunmehr auch neu über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden habe.
Das Verfahren sei daher noch nicht wirksam eröffnet. Ob die Abweichung nur in einem Datum (wie hier), einem Wort oder einer gänzlich anderen Anklageschrift liege, sei unerheblich.
Geregelt ist diese sogenannte "Nachholung rechtlichen Gehörs" in § 33a StPO.

Erst jetzt und aufgrund der erneuten Anträge war die Kammer offenbar bereit, sich mit dem Gesetz und der zugehörigen Kommentarliteratur auseinander zu setzen.
Folgerichtig wurde dann durch die Kammer beschlossen, das Verfahren auszusetzen, es in das sogenannte Zwischenverfahren zurück zu versetzen und nach erneuter Stellungnahmefrist neu über die Verfahrenseröffnung entscheiden zu wollen.

Inzwischen wurden acht Termine zur erneuten Verhandlung abgestimmt auf Januar und Februar 2014.
Rechtsanwalt Herbert Posner hat aufgrund dieser, durch den von ihm vertretenen Angeklagten nicht zu vertretenen, Verfahrensverzögerung die Aufhebung des (außer Vollzug gesetzten) Haftbefehles gegen seinen Mandanten beantragt.
Dies ist mit Beschluss vom 24.05.2013 nun ebenfalls geschehen.

Als Verteidiger, der verpflichtet ist, seine Rolle im Verfahren ernst zu nehmen, kann man angesichts dieses Verlaufes nur froh sein, dass dieses Verfahren ohne Nebenkläger und nicht in München stattfindet, denn die Öffentlichkeit scheint inzwischen kaum noch wahrzunehmen, dass rechtsstaatliche Verfahren sich auch an rechtsstaatliche Regeln zu halten haben …

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