Betäubungsmittel – BtMG 1

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BGH, Beschluß vom 17. August 1994 – 3 StR 318/94 –
(Vorinstanz: LG Zwickau)

§§ 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG

persönlicher Leitsatz:

Die Annahme eines minder schweren Falles ist nicht auf außergewöhnliche Ausnahmesituationen begrenzt. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein minder schwerer Fall (schon) dann zu bejahen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß der Regelstrafrahmen nicht mehr angemessen ist

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. August 1994 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als der Angeklagte wegen ,,der fortgesetzten unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren" (§ 29 a Abs. 1 Nr. 1 a BtMG; II 2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.

2 Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 9. Februar 1994, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß die Verurteilung wegen ,,der fortgesetzten unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren" entfällt, und

b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

3. In dem von der Teileinstellung nicht berührten Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die (verbleibenden) Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Zwickau zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision wird verworfen.

G r ü n d e :

Die Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO hat den Wegfall der Verurteilung nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 a BtMG und der deswegen verhängten Einzelstrafe sowie die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.

Die Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe, die wegen der Tat zu II 1 der Urteilsgründe vom Landgericht festgesetzt worden ist, kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer die Anwendung des ermäßigten Strafrahmens nach § 30 Abs. 2 BtMG abgelehnt hat, lassen besorgen, daß sie sich bei der Beurteilung dieser Frage von einem rechtlich nicht zutreffenden Maßstab hat leiten lassen. Die Annahme eines minder schweren Falles ist nicht, wie das Landgericht nach seiner Aufzählung einzelner Beispielsfälle möglicherweise meint, auf außergewöhnliche Ausnahmesituationen begrenzt. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein minder schwerer Fall (schon) dann zu bejahen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß der Regelstrafrahmen nicht mehr angemessen ist (vgl. u.a. BGHSt 26, 97, 98; BGHR StGB vor § 1 mF Gesamtwürdigung fehlerfreie 1 und Gesamtwürdigung 6 und 7, jeweils mit weiteren Nachweisen). Gefordert ist danach die Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände. Diesen Grundsätzen läuft es zuwider, wenn die für den Täter sprechenden Gesichtspunkte einzeln betrachtet und, wie dies das Landgericht im Falle der wegen einer Herzerkrankung erhöhten Strafempfindlichkeit des Angeklagten getan hat, jeweils ,,für sich allein" als nicht ausreichend angesehen werden.

Im übrigen erweist sich die Revision, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt hat, als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.


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