Umrechnungsprobleme in der Punktereform

Die seit 1. Mai diesen Jahres in Kraft getretene Reform des Punktesystems und die damit verbundene Überleitung des Verkehrszentralregisters (VZR) zum Fahrerlaubnisregister (FAER) sollte nach Ansicht des Verkehrsministeriums eigentlich ganz einfach sein. Eine schöne Umrechnungstabelle wurde entworfen und dazu die Ampelfarben eingeführt.
Alle Punkte, die bis zum 30.04.2014 im VZR eingetragen waren, sollten mit Hilfe der Tabelle einfach in das neue System umgerechnet, alle Eintragungen ab dem 01.05.2014 nach dem neuen System zusätzlich eingetragen werden. Das hörte sich zunächst tatsächlich einfach an.
Doch ist dies auch gerecht? Nein!

Die vereinfachte Betrachtungsweise des Gesetzgebers hat einen erheblichen Haken, der bis zum Führerscheinverlust führen kann!
Normalerweise knüpft unser System der Strafen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht an das zur Tatzeit geltende Recht an. Hier jedoch wurde nicht auf den Tatzeitpunkt, sondern einzig darauf abgestellt, wann ein Delikt in Flensburg eingetragen wurde, worauf der Kraftfahrer überhaupt keinen Einfluss hatte.

Wenn Max Mustermann im VZR zum 30.04.2014 bereits 14 Punkte (alt) eingetragen hatte, wurden sie am 01.05.2014 zum FAER in 6 Punkte (neu) umgerechnet.
Hatte er jedoch zusätzlich am oder vor dem 30.04.2014 eine weitere Ordnungswidrigkeit begangen, die nach altem System mit 3 Punkten zu bewerten gewesen wäre, jedoch noch nicht eingetragen wurde, ergibt sich derzeit für ihn das Problem, dass die Fahrerlaubnisbehörde ihn zur Abgabe der Fahrerlaubnis auffordert. Warum?
Nun, durchgehend nach altem Recht berechnet, hätten seine eingetragenen 14 Punkte (alt) und die neuen 3 Punkte (alt) zusammen 17 Punkte ergeben und wären dann in das neue FAER zu 7 Punkten (neu) umgerechnet worden.

Da der Gesetzgeber jedoch „alles ganz einfach“ gestalten wollte, wird tatsächlich anders berechnet, nämlich:
Die am 30.04.2014 eingetragenen 14 Punkte (alt) wurden umgerechnet in 6 Punkte (neu) und das vor der Reform begangene, aber erst später eingetragene Delikt, wurde sodann einzeln umgerechnet von 3 Punkten (alt) in 2 Punkte (neu), was zur Folge hat, dass Flensburg nun der Fahrerlaubnisbehörde mitteilt, der Fahrerlaubnisinhaber habe 8 Punkte (neu) erreicht.
Ihm sei folglich die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin führt nach Prüfung der Problematik u.a. aus, dass das Ziel der Reform einfachere und transparentere Regelungen waren.
"Aus eben diesen Vereinfachungsgründen wurde bei der Übergangsregelung auf den Aspekt der Eintragung (Zeitpunkt der Speicherung) von Entscheidungen abgestellt. Das alternative Abstellen auf den jeweiligen Tattag hätte ein ggf. mehrmaliges Umrechnen des Punktestandes erfordert, was nicht zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit beigetragen hätte."
Diese Begründung überzeugt indes nicht.
Eine ggf. auch mehrfache Neuberechnung sieht die Reform in § 65 Abs. 3 Nr. 6 StVG selbst vor für Fälle, in denen Sachverhalte, so z.B. die Bescheinigungen über Punkteabbaukurse, bis zum 30.04.2014 zwar der zuständigen Behörde vorgelegt, aber noch nicht im Register eingetragen waren. Es ginge also doch …

Dieses Umrechnungsproblem betrifft natürlich nicht nur diejenigen, die schon derart viele Punkte auf dem Konto hatten, sondern auch all jene, die durch die (ungerechte) Umrechnung in die nächste Ampelstufe geraten und deshalb von der Fahrerlaubnisbehörde kostenpflichtig verwarnt werden.
Bundesweit sind daher derzeit eine Menge Verfahren anhängig, die gegen diese (nach Ansicht der Betroffenen) aus Vereinfachungsgründen gewählte Ungleichbehandlung vorgehen. Falls auch Sie betroffen sind, sollten Sie sich zur Wehr setzen.
Lassen Sie einen solchen Bescheid, auch wenn es "nur" ein Gebührenbescheid sein sollte, nicht rechtskräftig werden, sondern gehen Sie zum Anwalt!

Rechtsanwalt Herbert Posner
– Fachanwalt für Strafrecht –

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