Irrtum vom Amt: Verzicht auf Fahrerlaubnisklasse ist nicht Verzicht auf Berechtigung zum Führen eines PKW

Mehr Glück als Verstand – Führerscheinstelle formuliert falsche Verzichtserklärung

Nachdem es ein Führerscheininhaber mit offenbar besonders lockerem Gasfuß geschafft hatte, die magische 18-Punkte-Grenze in seiner  Flensburger Führerscheinkartei trotz mehrerer Punkteabbauseminare zu überschreiten, wollte ihm die zuständige Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis entziehen.

Um den Erlaß eines förmlichen Entzugsbescheides mit den verbundenen Kosten, aber auch Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen,  zu umgehen, wurde ihm angeboten, (unfreiwillig-) freiwillig auf seine Fahrerlaubnis zu verzichten.

Hierfür wurde dem Betroffenen durch das Landratsamt Greiz 2008 eine vorformulierte Verzichtserklärung mit folgendem Text zur Unterschrift vorgelegt:

"Ich verzichte hiermit unwiderruflich auf folgende Fahrerlaubnisklasse:
A, BE, C1E, CE, M, L.

Ich bin darauf hingewiesen worden, dass für mich keine Möglichkeit besteht, diesen Verzicht auf die o.a. Fahrerlaubnisklassen zu widerrufen.

Mir ist bekannt, dass ich einen Antrag stellen und mir eine neue Fahrerlaubnis erteilen lassen muss, falls ich erneut ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug der o.g. Klassen, auf die ich verzichtet habe, führen will."

Der Betroffene verfügte daneben bereits seit 2005 über eine in einem anderen Land der EU ausgestellte Fahrerlaubnis, welche ihn zum Führen von PKW (Klasse B) berechtigte.

Nachdem er nun in Deutschland mehrfach am Steuer eines PKW gesehen wurde, wurde er aufgrund seiner o.g. Verzichtserklärung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt.

Zunächst wurde lange darüber gestritten, ob er nicht aufgrund seines ausländischen Führerscheines hätte fahren dürfen. Dies hatte jedoch das AG Plauen verneint und ihn zunächst wegen, allerdings nur fahrlässigen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt.

In der Berufung vor dem Landgericht Zwickau erfolgte dann jedoch der Freispruch!
Das LG stellte fest, dass er mit oben genannter Erklärung weder freiwillig auf die Fahrerlaubnisklasse B verzichtete, noch diese entzogen worden sei. Er sei zum Führen eines PKW berechtigt gewesen.

Vor diesem Hintergrund musste über die Wirksamkeit der ausländischen EU-Fahrerlaubnis nicht mehr entschieden werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwar gegen dieses LG-Urteil zunächst Revision eingelegt, diese aber anschließend wieder zurückgenommen.

Offenbar suchte man dort einen einfacheren Weg und erhob wegen einer weiteren PKW-Fahrt des Angeklagten erneut Anklage zum AG Plauen, was dort auf wenig Gegenliebe stieß.
Der Amtsrichter lehnte die Eröffnung des Verfahrens unter Hinweis auf die Begründung des Landgerichtes in der vorangegangenen Sache ab.
Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, die diese hauptsächlich damit begründete, die Fahrerlaubnisklassenauflistung in der Verzichtserklärung enthalte nur "Oberklassen". Wie eine Nachfrage bei der betreffenden Sachbearbeiterin der Führerscheinstelle ergeben habe, sei der vollständige Verzicht gemeint gewesen und dies vom Angeschuldigten auch so verstanden worden.
Rechtsanwalt Herbert Posner, als Verteidiger des Betroffenen, hielt dem entgegen, dass es solche "Oberklassen" hier nicht gebe, insbesondere der Verzicht auf die Klasse BE nicht etwa einen Verzicht auf die Klasse B enthalte und im übrigen kein Raum für eine weitergehende Auslegung der Erklärung bestehe, da deren Wortlaut eindeutig sei.

Dem folgte nun das Landgericht und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
Maßgeblich sei der objektive Inhalt der Verzichtserklärung. Die Fahrerlaubnisklassen, auf die verzichtet wurde, seien eindeutig und abschließend aufgezählt. Auf das, was ggf. im Vorfeld dazu besprochen wurde und wie die Mitarbeiterin des Landratsamtes dies aufgefasst hat, komme es nicht an.

Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.


Anmerkung:

Soweit hier bekannt, benutzt die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes Greiz diesen Verzichtsvordruck bereits seit mehreren Jahren sowohl in Fällen überfüllter Punktekonten, als auch in Fällen, in denen wegen Alkohol und/oder Drogen ein Führerscheinentzug für erforderlich erachtet wurde. Anschließend wird dem Kraftfahrtbundesamt der Entzug mitgeteilt, so dass dort eine Punktelöschung erfolgt.

Es ist von einer Mehrzahl an Personen auszugehen, die trotz vermeintlichen Verzichts tatsächlich noch einen PKW fahren dürften, zugleich aber die "Wohltat" der Punktelöschung in Flensburg erlebt haben. Voraussetzung dürfte sein, dass in ihren früheren Führerscheinen mehr als nur die Klasse B eingetragen war.

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