Urkundenfälschung oder versuchte Bestechung? – Wie schnell der Ruf Schaden leiden kann, wenn der Staatsanwalt seine Möglichkeiten nicht kennt …

Plauen/Chemnitz, 01.03.2011:

Lassen Sie mich mit einer erfundenen Geschichte anfangen:

Stellen Sie sich vor, man schlägt sie auf der Straße nieder. Sie haben Verletzungen, u.a. einen heftigen Kratzer abbekommen. Hilfesuchend wenden Sie sich an die Polizei und erstatten Anzeige. Eine Täterbeschreibung ist Ihnen nicht möglich. Die Polizei schickt einen Streifenwagen los, doch die Beamten können leider niemanden auf der Straße herumlaufen sehen. Also drehen sie um und teilen Ihnen nun mit, die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft, man leite nun ein Verfahren gegen Sie selbst ein wegen des Verdachtes des Vortäuschens einer Straftat. Schließlich hätten Sie sich die Verletzungen ja auch selbst zufügen können.
"Los, zeigen Sie mir jetzt den Finger, mit dem Sie sich selbst den Kratzer beigefügt haben!", fordert der Beamte in bestimmendem Ton auf …

In dieser Art, nur deutlich drastischer, muss es den Geschäftsführern einer Plauener Reha-Einrichtung gegangen sein, als am Morgen des 09.02.2011 plötzlich und zeitgleich Ermittler in der Einrichtung und vor den Wohnungstüren der Geschäftsführer standen und einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr vorlegten.

Aus Sicht der Firma war vorausgegangen, dass sie durch einen Anruf der Freien Presse erfuhren, dass ein angeblich aus ihrem Hause stammendes Schreiben existiere, mit dem, so der Inhalt des Schreibens, vermeintlich niedergelassene Ärzte mit einer sogenannten "Verordnungspauschale" geködert werden sollten, Reha-Patienten zu vermitteln.

Umgehend und ohne das der Presse vorliegende Schreiben selbst in Händen zu haben, wurde Anzeige bei der Polizei wegen Urkundenfälschung etc. erstattet und darauf hingewiesen, dass das betreffende Schreiben zumindest für die Beamten bei der Zeitung zu bekommen sei. Soweit, so gut; eine Kopie des Schreibens wurde später durch die Polizei auch überreicht und man ging von anlaufenden Ermittlungen aus, den Urheber zu ermitteln.

Was das Unternehmen nicht wußte und auch nicht mitgeteilt wurde: Die Staatsanwaltschaft hatte aufgrund einer Anzeige der AOK Plus, der das Schreiben ebenfalls zugeleitet wurde, ein Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer selbst eingeleitet. Was oder ob überhaupt sie insoweit ermittelte, bis sie schließlich einen Durchsuchungsbeschluss beantragte, bleibt derzeit noch im Dunkeln.

Sicher ist, dass die Fantasie des zuständigen Staatsanwaltes scheinbar nach den Möglichkeiten des Zeugenbeweises schnell endete und der Durchsuchungsbeschluss als zu diesem Zeitpunkt einzig mögliches Mittel bezeichnet wurde.

Sicher ist aufgrund eigener Aussage aber auch, dass der Staatsanwalt als Vertreter einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, von der man eine gewisse Spezialisierung erwarten sollte, nicht wusste, dass man durchaus auch Kopien einem Gutachten zur Handschriftenvergleichung unterziehen kann.

Er war, obwohl die Staatsanwaltschaften auf umfangreiche forensische Abteilungen zugreifen können, der irrigen Auffassung, dass solche Gutachten nur bei Originalvorlagen möglich seien. Dies war leider nur halb richtig:

Richtig ist,  dass mit Fotokopien zwar nicht der Nachweis der Echtheit möglich ist, aber sehr wohl der Nachweis der Fälschung.

(vgl.: http://schriftvergleichung.de/download/fotokopien.pdf)

Nachdem die Rufschädigung durch die Durchsuchungsmaßnahme und die Veröffentlichung dazu erfolgte, hat die Reha-Einrichtung nun selbst ein solches Gutachten eingeholt, das im Ergebnis das Schreiben der Fälschung entlarvt!

Mit wenigen hundert Euro ein geringer Aufwand im Verhältnis zu drei bis fünf Beamten an jedem Durchsuchungsort zuzüglich Präsenz des Chemnitzer Staatsanwaltes in Plauen, von der Rufschädigung ganz zu schweigen. Zudem hätte der Ermittlungsrichter nach Vorlage eines solchen Gutachtens keinesfalls den für eine Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht bestätigt.
Heute nun trat das Unternehmen mit einer Pressekonferenz und Veröffentlichung des entlastenden Gutachtens an die Öffentlichkeit.

Ob die Staatsanwaltschaft nun endlich intensiver in die andere Richtung ermittelt, bleibt abzuwarten.

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Medienberichte zum Thema:

Filmberichte:

www.Sachsen-Fernsehen.de: http://www.sachsen-fernsehen.de/default.aspx?ID=1095&showNews=936026

www.MDR.de: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/8290039.html
(Anm.: Videos von öffentlich rechtlichen Sendeanstalten dürfen nur begrenzte Zeit online zum Abruf dargeboten werden)

 

Presse:

Freie Presse:

Erstbericht vom 24.02.2011: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/THEMA_DES_TAGES_REGIONAL/7598208.php

01.03.2011: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/THEMA_DES_TAGES_REGIONAL/7602087.php

 

Vogtlandanzeiger: http://www.vogtland-anzeiger.de/Vogtland_Anzeiger/index.php?menuid=29&reporeid=4061

 

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