Kindesmisshandlung – kein Mord, aber LG Zwickau fällt hartes Urteil

Zwickau/Plauen, 24.01.2011:

Am 24.01.2011 wurde durch das Schwurgericht des Landgerichts Zwickau das Urteil im Fall des im Juli 2010 getöteten Karsten aus Plauen gesprochen:

  • Der Freund der Kindesmutter wurde wegen Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
  • Die Kindesmutter wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Das Gericht folgte damit den am 17.01.2011 gehaltenen Plädoyers zum Wegfall des ursprünglich angeklagten Vorwurf des Mordes, ging jedoch hinsichtlich der Verurteilung beider Angeklagter über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Freund der Angeklagten der allein Handelnde war und die Kindesmutter aufgrund ihrer geistigen Beeinträchtigung sowie aus Angst, den Partner zu verlieren, sich nicht gegen dessen Handeln gestellt und ihr Kind beschützt habe. Dabei sei ihr selbst angesichts ihrer geistigen Defizite ein Handeln möglich und zumutbar gewesen, zumal noch kurz vor der zum Tode des Jungen führenden Tathandlung ein Telefongespräch zwischen ihr und der Betreuerin stattgefunden habe. Hätte sie auch nur den kleinsten Hinweis gegeben, dass etwas nicht in Ordnung sei, sei mit Sicherheit Hilfe sofort zur Stelle gewesen.

Das Gericht ging in seiner Begründung davon aus, dass die Misshandlungen bereits spätestens Ende Juni / Anfang Juli begannen. Der Angeklagte Jürgen S., der zwar zuvor in einem kinderreichen Umfeld aufgewachsen sei und sich bis dahin stets kinderlieb gezeigt habe, sei nach Wegfall der Unterstützungen durch den Opa des Kindes und der Betreuerin mit der Erziehungssituation völlig überfordert gewesen. Hierauf habe er mit sich steigernder Gewalt gegen den Jungen reagiert.

Soweit beide Angeklagte sich gegenseitig der finalen Tathandlung beschuldigten, sei man von der Darstellung der Kindesmutter ausgegangen, wenngleich diese das eigentlich zum Tode führende Schütteln des Kindes nicht gesehen habe. Ihre Aussagen seien jedoch von dem in der Aussagepsychologie geforderten Detailreichtum geprägt, der zur Feststellung eines echten Erlebnishintergrundes erforderlich sei, während die Aussagen des Mannes eher als detailarm und pauschalisierend zu bezeichnen seien.

Zwar lasse sein anschließendes Bemühen um Rettung des Kindes erkennen, dass kein Mordvorsatz bestanden habe, gleichwohl aber habe er den Tod des Kindes zumindest billigend in Kauf genommen, womit der Tatbestand des Totschlages in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener erfüllt sei.

Soweit der Verteidiger des Angeklagten Jürgen S. moniert habe, dass keine Beweise zum Vorleben des Angeklagten erhoben worden seien, sei klarzustellen, dass die Beweisrichtung des Gerichtes auf den jeweiligen Umgang mit dem Tatopfer gerichtet war und hierzu zwangsläufig die durch den Verteidiger benannten Zeugen aus dem Vorleben des Angeklagten naturgemäß keine Aussage hätten treffen können.

In der Strafzumessung sei man hinsichtlich des Angeklagten von einem Strafrahmen bis zu 15 Jahren ausgegangen, habe sein Teilgeständnis positiv, aber auch die Tatsache, dass er gleichzeitig zwei Straftatbestände erfüllt habe, negativ berücksichtigt und die Strafe insofern eher am oberen Rand festgesetzt.

Bei der Kindesmutter, deren Strafrahmen aufgrund doppelter Strafmilderung (§ 21 und § 13 Abs. 2 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 StGB) lediglich bis zu rund 8 1/2 Jahren reiche, sei man gerade aufgrund der Tatsache, dass es noch kurz vor der finalen Tathandlung ein Telefonat zwischen ihr und ihrer Betreuerin gegeben habe, in dem sie nur ansatzweise hätte um Hilfe bitten müssen, von einer um ein Jahr höheren Strafe ausgegangen, als die Staatsanwaltschaft gefordert habe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht muss, da die Hauptverhandlung länger als drei Tage andauerte, sein schriftliches Urteil binnen sieben Wochen (14.03.2011) schriftlich zur Akte bringen.

Beide Angeklagte haben binner einer Woche die Möglichkeit, das Urteil mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) anzufechten und diese binnen eines Monats ab Zustellung des schriftlichen Urteiles zu begründen.

Rechtsanwalt Posner machte keinen Hehl daraus, dass er seinem Mandanten die Einlegung der Revision anraten werde. Die Entscheidung darüber habe jedoch der Angeklagte selbst zu treffen.

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Die Revisionen beider Angeklagter wurden durch den Bundesgerichtshof (BGH) verworfen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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