2019 / 2020 Rechtsanwalt Herbert Posner auch in den Folgejahren TOP-Anwalt im FOCUS

Die inzwischen auf reine Straf- und Ordnungswidrigkeiten-Verteidigung ausgerichtete Tätigkeit von Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Herbert Posner sowie die bundesweite Vernetzung mit entsprechend tätigen Kolleginnen und Kollegen führte auch in den Jahren 2019 und 2020 dazu, dass eine genügend grosse Zahl an Empfehlungen in der jährlichen FOCUS-Umfrage („Welchen Rechtsanwalt außerhalb Ihrer eigenen Kanzlei würden Sie für ein Rechtsgebiet empfehlen?“) abgegeben wurde.
Dies erfüllt mit Demut und Dankbarkeit, ist jedoch zugleich Ansporn, im Kampf um das Recht und die Rechte der Mandanten nicht nachzulassen.
Herzlichen Dank!

Rechtsanwalt Posner laut FOCUS in Focus Spezial (Heft 4/2018) erneut TOP-Anwalt im Strafrecht

Das Magazin FOCUS zeichnete Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Herbert Posner, nun bereits zum zweiten Mal als – nach deren Auffassung –

TOP Rechtsanwalt 2018 im Fachbereich Strafrecht

aus.

Das Magazin bediente sich dazu einer online-Befragung unter mehr als 24.000 Rechtsanwält/innen durch das Hamburger Statistik-Unternehmen Statista, die sodann mehr als 17.000 relevante Empfehlungen auswerteten.

Neben Rechtsanwalt Posner wurden bundesweit 140, im Gebiet Ost inklusive Berlin insgesamt 24 (ohne Berlin 15) im Fachbereich des Strafrechts tätige Kolleginnen und Kollegen, benannt.
Eine solche Auszeichnung bei derzeit 150.548 zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten (Stand: 01. Januar 2018) erneut zu erhalten, ist stetiger Ansporn für die weitere Arbeit!

    

Urkunde 2017

Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Wird der Auslandsführerschein zum Auslaufmodell?

(Beitragsbildquelle: Gerichtshof der Europäischen Union)

Eine brandaktuelle Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) kann und wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Führerscheinlandschaft (nicht nur) in Deutschland haben. Am 23.04.2015 veröffentlichte der EuGH eine Pressemitteilung zur Rechtssache C-260/13 „Sevda Aykul / Land Baden-Württemberg“, in dem auf Vorlage eines Verwaltungsgerichtes die Frage zu klären war, ob eine österreichische Staatsangehörige mit ihrer österreichischen Fahrerlaubnis in Deutschland berechtigt ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Hintergrund des Verfahrens war, dass die Frau in Deutschland erwischt wurde, unter Einfluss von Cannabis gefahren zu sein und dass sie dieses Rauschmittel zumindest gelegentlich konsumierte. Die deutschen Behörden hielten sie deswegen für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und sprachen ihr das Recht ab, mit ihrem österreichischen Führerschein in Deutschland zu fahren. Zugleich wurde sie darüber informiert, dass sie dieses Recht wiedererlangen könne, wenn sie ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorlege, das in der Regel von einjährigem Abstinenznachweis abhängig ist. Die Frau war der Auffassung, dass diese Entscheidung gegen die Richtlinie des Europäischen Parlaments über den Führerschein (RL 2006/126/EG) und die sich daraus ergebende Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine verstoße. In dem neuen Urteil beantwortete der EuGH diese Frage damit, dass die Richtlinie einen Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Inhaber eines ausländischen Führerscheins vorübergehend aufhält, nicht daran hindere, die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins wegen einer Zuwiderhandlung auf seinem Hoheitsgebiet abzulehnen. Zwar könne der ausländische Führerschein nicht entzogen werden oder andere Maßnahmen ergriffen werden, die in allen Mitgliedsstaaten Wirkung entfalten. Es sei ihm jedoch erlaubt, geeignete Maßnahmen nach seinen eigenen Rechtsvorschriften zu ergreifen, deren Auswirkung sich lediglich auf sein Hoheitsgebiet erstrecken. Dies stelle zwar eine Beschränkung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine dar; allerdings sei sie geeignet, die Gefahr von Verkehrsunfällen zu verringern, was im Interesse der Bürger sei. Diese deutsche Beschränkung sei auch nicht unverhältnismäßig und deshalb europarechtswidrig, da sie nicht unbegrenzt wirke. Die Frau habe die Möglichkeit, das geforderte MPU-Gutachten vorzulegen oder zu warten, bis die Beschränkung – hier nach 5 Jahren – aus dem deutschen Fahreignungsregister gelöscht worden ist.

Wir dürfen sicher sein, dass dieses Verfahren in Alkohol- und Drogensachen Schule macht!

Rechtsanwalt Herbert Posner
– Fachanwalt für Strafrecht –

23.12.2014 – Weihnachtsfrieden am Amtsgericht Plauen – Verfahren wegen Geldfälschung und Betruges einer Prostituierten eingestellt!

Nachdem zum ersten Termin die Ladungsfrist des Angeklagten nicht eingehalten wurde, durfte auch Rechtsanwalt Herbert Posner am 23.12.2014 mit dem 2. Anlauf in einem Verfahren um Falschgeld für die horizontale Dienstleistung einer Prostituierten endlich sein Verhandlungsjahr beenden.
Es hätte ein unangenehmeres Thema sein können …

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, eine Prostituierte, die für ihre Dienstleistung einen Lohn in Höhe von 130,- EUR gefordert hatte, mit 100,- EUR in echten und 30,- EUR in Falschgeldscheinen bezahlt zu haben.

Der Angeklagte hatte sich vor dem Amtsgericht eingelassen, anlässlich einer Feier von Freunden zusammen mit anderen Personen ein Grüngebinde mit verschiedensten, als Falsifikate deutlich und sofort erkennbaren Scheinen in verschiedenen Währungen, so u.a. Dollar und Euro verziert zu haben.
Zur Anfertigung der Scheine sei ein Briefblock verwendet worden, welcher mit verschiedenen Worten, wie Fairness, Loyalität, etc., bedruckt gewesen sei. Auf jedem Schein sollte mindestens eines dieser Worte großflächig sichtbar sein.

Da die Aufdrucke auf dem Briefblock jedoch nicht gleichmäßig und flächendeckend vorhanden gewesen seien, seien zum einen Fehldrucke entstanden, die entweder kein Wort trugen, bei denen der Aufdruck lediglich am Rand ersichtlich oder auf denen der Aufdruck nur zum Teil enthalten gewesen sei. Zudem sei es zu Schneidefehlern gekommen, so dass Scheine so schief geschnitten gewesen seien, dass sie keine Verwendung mehr hätten finden können.

Nachdem die Vorbereitung hierzu erst unmittelbar vor Abfahrt erfolgt sei, habe er diese Fehlversuche in sein Portemonnaie eingesteckt und vergessen.

Dass er hiervon Falsifikate in Höhe von 30,- € scheinbar in der Nacht im April 2014 bei der Prostituierten verwendete, habe er aufgrund seines Trunkenheitszustandes nicht gemerkt und sei auch in keiner Weise seine Absicht gewesen.

Erst, als bei ihm anlässlich einer Verkehrskontrolle zwei weitere Fehlversuche in seinem Portemonnaie aufgefunden und ihm vorgehalten wurden, habe er sich überhaupt daran erinnert, dass er diese offenbar die ganze Zeit bei sich getragen hatte.

eines der Falsifikate
Bild: eines der Falsifikate

Die Absicht, Falschgeld herzustellen, um dieses als Zahlungsmittel in den Verkehr zu bringen, also wie echtes Geld zu benutzen, habe er zu keinem Zeitpunkt gehabt.

Nachdem dem Angeklagten in der Hauptverhandlung die für die Geldfälschung erforderliche Absicht des Inverkehrbringens des Falschgeldes (beim Verkehr smiley) nicht nachzuweisen war, erfolgte rechtlicher Hinweis weg vom Verbrechen der Geldfälschung (§ 146 StGB – Strafrahmen 1 Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe), hin zum bloßen Vergehen des Inverkehrbringens (§ 147 StGB – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 5 Jahre).

Damit und aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte der Dienstleisterin im Gerichtssaal die fehlenden 30,- EUR nun in echten Scheinen gab, war der Weg zur Einstellung gegen Auflage frei.
Das Schöffengericht stellte das Verfahren gegen Zahlungsauflage i.H.v. 1.200 EUR zugunsten einer gemeinnützigen Organisation gemäß § 153a StPO zunächst vorläufig ein.
Die endgültige Einstellung erfolgt nach Eingang der Zahlung.

Das Gesetz sieht es halt anders, als ein Kollege kürzlich kommentierte, der meinte,
für einen vorgespielten Orgasmus könne man schließlich kein echtes Geld erwarten.

cool

Frohe Weihnachten!

P.S.: den TV-Bericht aus "MDR um 2" werden wir hier verlinken, sobald er freigeschaltet ist.

Rechtsanwalt Herbert Posner nun sogar in der FOCUS-Top 120!

Der FOCUS hatte mir ja bereits Ende Juli mitgeteilt, dass ich in die TOP 500 im Sonderheft der "Großen Deutschen Anwaltsliste" (Erscheinungsdatum 15.10.13) aufgenommen sei (siehe frühere Meldung hier).
Nun wurde ich überrascht, mich sogar in der Vorabveröffentlichung der TOP 120 aller Rechtsgebiete, im Verkehrs-(straf-)recht gar in der Top 20 und als einziger Benannter aus Sachsen in der aktuellen FOCUS-Ausgabe (Nr. 39/13) im Verkehrs-(Straf-)recht wieder zu finden.
Angesichts einer Zahl von derzeit über 161.800 zugelassenen Rechtsanwälten/innen (01.01.2013) in Deutschland, erfüllt mich dies mit Stolz.
Ich empfinde ich die Auszeichnung als große Ehre und Ansporn für die tägliche Arbeit zugleich.
Dem Vogtland-Anzeiger zugleich herzlichen Dank für den Bericht darüber!
 
RA Herbert Posner – Fachanwalt für Strafrecht –

Auch der WochenSpiegel berichtete:

Vogtland-Anzeiger vom 26.09.2013WochenSpiegel vom 12.10.2013

FOCUS nimmt Rechtsanwalt Posner in die TOP 500 auf

30.07.2013: FOCUS-SPEZIAL "Deutschlands große Anwaltsliste"

Wie uns das Magazin FOCUS heute mitteilte, wurde Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Herbert Posner für das am 15. Oktober 2013 erscheinende FOCUS-SPEZIAL "Deutschlands große Anwaltsliste" in die darin enthaltene Liste mit 500 Top-Juristen aufgenommen.

Die Auswahl sei durch Kollegenempfehlungen und Kundenbewertungen erfolgt.

Dafür ganz herzlichen Dank!
Es soll uns Bestätigung und Ansporn sein!

Bundesgerichtshof verwirft Revision der Staatsanwaltschaft gegen Taxifahrer

Leipzig, 09.07.2013: Bewährungsstrafe für Taxifahrer wird rechtskräftig

Nachdem das Landgericht Zwickau den von einer türkischen Drogenbande als Kurier benutzten Taxifahrer aus Plauen zu einer, zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt hatte (Prozessbericht hier: http://rechtsanwaltskanzlei-plauen.de/?p=786), legte die Staatsanwaltschaft hiergegen Revision ein.
Sie verfolgte damit das Ziel, eine höhere Strafe und damit zugleich zu vollstreckende Haft gegen den Angeklagten zu erreichen.

Vorweg: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Herbert Posner hielt das Zwickauer Urteil zwar im Ergebnis für richtig, dessen Begründung unter rein formalen Revisionsgesichtspunkten allerdings nicht wirklich für gelungen.

Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Revisionsangriffe im Wesentlichen auf zwei zentrale Punkte:

1. Das Landgericht habe im Urteil zur erfolgten Anwendung der Strafmilderung wegen einer Aufklärungshilfe des Angeklagten im Sinne von § 31 BtMG eine ausreichende Darstellung vermissen lassen, die es dem Revisionsgericht überhaupt ermöglichen würde, die Anwendung dieses Milderungsgrundes zu prüfen und

2. würden schon Gründe der Generalprävention (Abschreckung) eine erheblich höhere Strafe erfordern.

Zudem sei der im Urteil erfolgte Vergleich zu den gegen die Bandenmitglieder ergangenen Urteile unzulässig, solange nicht dieselbe Kammer inklusive der Schöffen diese Urteile gesprochen hätten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig (AZ.: 5 StR 213/13) wiederholte der Generalbundesanwalt (GBA) in verkürzter Form diese Gründe und beantragte,
das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12.12.2012 im Rechtsfolgenausspruch (also hinsichtlich der Strafhöhe) aufzuheben
und an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Der Vorsitzende richtete sodann die Frage an den GBA, ob es nicht sein könne, dass die Begründungsanforderungen für die Anwendung des § 31 BtMG umso geringer würden, je mehr ohnehin vorhandene Milderungsgründe für den Angeklagten sprächen.
Der GBA ließ diese Frage unbeantwortet.

Nachdem Rechtsanwalt Posner das Wort erteilt worden war, griff dieser zunächst die Rügen der Staatsanwaltschaft auf.

Die Rüge, dass das Urteil des Landgerichts eine zureichende Darstellung und Auseinandersetzung mit den Gründen für die Anwendung des § 31 BtMG vermissen lasse, sei grundsätzlich berechtigt, jedoch beruhe das Urteil nicht darauf.

Auch sei der Revision zuzugeben, dass es kein revisibles Recht eines Angeklagten gebe, dass das Tatgericht die anderweitig ergangenen Urteile gegen andere Täter desselben Tatkomplexes zur Kenntnis nehmen und zur Grundlage seines Urteils zu machen habe, jedoch gebe es ebenso wenig eine Pflicht des Gerichtes, hiervor gänzlich die Augen zu verschließen.
Die von der Staatsanwaltschaft hierzu u.a. herangezogene Entscheidung des 1. Strafsenats zu AZ. 1 StR 282/11 stehe dem nicht entgegen.

Zudem habe das Tatgericht mit der erfolgten Strafrahmenwahl den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht überschritten, zumal – und insoweit liege, wie zuvor angemerkt, kein Beruhen vor – die Zumessungserwägungen des Landgerichts zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen lassen, dass es die beruflichen Nebenwirkungen des Strafverfahrens für den Angeklagten (Insolvenz) bei der Strafzumessung berücksichtigt habe .
Der 2. Strafsenat habe hierzu mit Beschluss vom 11.04.2013 – 2 StR 506/12 – ausgeführt:

„… Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann (als bestimmender Strafzumessungsgrund) ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; Beschluss vom 26. März 1996 – 1 StR 89/96, NStZ 1996, 539, jeweils mwN). …“

Nichts Anderes könne gelten, wenn dieser „Erfolg“ bereits durch das Ermittlungsverfahren bewirkt worden sei.

Der Verteidiger beantragte daher abschließend,
die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12.12.2012 zu verwerfen.

Nachdem auch dem anwesenden Angeklagten Gelegenheit zum Letzten Wort gegeben wurde, erging nach Beratung sodann im Namen des Volkes folgendes

URTEIL

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12.12.2012 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen.

Zur mündlichen Urteilsbegründung führte der Hohe Senat in gebotener Kürze aus, dass es sich in diesem Fall um ein ausgesprochen mildes Urteil handele.
Wie auch die Verteidigung zugestanden habe, seien die Ausführungen des Landgerichts in der Tat äußerst dürftig und man werde bei Lesen des Urteils durchaus interessiert, was denn der Angeklagte alles zur Aufklärung des Falles im Einzelnen ausgesagt habe und worin die Aufklärungserfolge gelegen hätten.
Jedoch würden in diesem Fall eine derartige Fülle an Strafmilderungsgesichtspunkten für den Angeklagten sprechen, dass dieser Mangel des Urteiles hinzunehmen sei.

Das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12.12.2012 ist damit rechtskräftig!

Das inzwischen vorliegende schriftliche Urteil des BGH kann hier heruntergeladen werden:

BGH 5 StR 113/13.pdf

 

Zwickau: „Rockerprozess“ wegen eines von der Verteidigung gerügten Verfahrensfehlers am 08.05.13 zunächst ausgesetzt.

Neuauflage nun terminiert ab Januar 2014; Haftbefehl aufgehoben.

Im April begann vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Zwickau der Strafprozess um eine angeklagte Geiselnahme, in der Presse als "Rockerprozess" bezeichnet, da die am Verfahren Beteiligten sämtlich Mitglieder eines Motorrad-Clubs sind oder waren.

Bereits am ersten Tag der Hauptverhandlung rügten vier der fünf Verteidiger, dass die ihnen zugestellte Anklage das Datum 10.04.2012 trage, während der Eröffnungsbeschluss sich auf die verlesene Anklage mit Datum vom 29.08.2012 bezog.
Daher wurde die Aussetzung des Verfahrens und Nachholung der erforderlichen Formalien beantragt.

Der Staatsanwalt meinte, dass er sich die Abweichung im Datum nur so erklären könne, dass es sich bei dem der Verteidigung zugestellten Anklageexemplar ggf. um einen frühen Entwurf der Anklage gehandelt habe.

Offenbar war die Kammer, entgegen der Ansicht der Verteidiger, der Auffassung, es werde reichen, den Angeklagten und ihren Verteidigern eine Kopie der richtig datierten Anklageschrift auszuhändigen und ihnen Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme zu geben, da außer der Abweichung im Datum keinerlei Unterschied zwischen den Anklageschriften bestand.

Dieses Vorgehen rügten nun die Verteidiger in der Sitzung am 08.05.2013 erneut, da nach ihrer Auffassung die Aushändigung der korrekten Anklageschrift und Gelegenheit zur Stellungnahme erfolgten, jedoch aufgrund der Stellungnahmen das Gericht nunmehr auch neu über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden habe.
Das Verfahren sei daher noch nicht wirksam eröffnet. Ob die Abweichung nur in einem Datum (wie hier), einem Wort oder einer gänzlich anderen Anklageschrift liege, sei unerheblich.
Geregelt ist diese sogenannte "Nachholung rechtlichen Gehörs" in § 33a StPO.

Erst jetzt und aufgrund der erneuten Anträge war die Kammer offenbar bereit, sich mit dem Gesetz und der zugehörigen Kommentarliteratur auseinander zu setzen.
Folgerichtig wurde dann durch die Kammer beschlossen, das Verfahren auszusetzen, es in das sogenannte Zwischenverfahren zurück zu versetzen und nach erneuter Stellungnahmefrist neu über die Verfahrenseröffnung entscheiden zu wollen.

Inzwischen wurden acht Termine zur erneuten Verhandlung abgestimmt auf Januar und Februar 2014.
Rechtsanwalt Herbert Posner hat aufgrund dieser, durch den von ihm vertretenen Angeklagten nicht zu vertretenen, Verfahrensverzögerung die Aufhebung des (außer Vollzug gesetzten) Haftbefehles gegen seinen Mandanten beantragt.
Dies ist mit Beschluss vom 24.05.2013 nun ebenfalls geschehen.

Als Verteidiger, der verpflichtet ist, seine Rolle im Verfahren ernst zu nehmen, kann man angesichts dieses Verlaufes nur froh sein, dass dieses Verfahren ohne Nebenkläger und nicht in München stattfindet, denn die Öffentlichkeit scheint inzwischen kaum noch wahrzunehmen, dass rechtsstaatliche Verfahren sich auch an rechtsstaatliche Regeln zu halten haben …

Leipzig, 17.04.2013: Falsche Tel.-Nr. gewählt? Macht nichts? Manchmal doch!

Freispruch im Verfahren wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tatmehrheit mit versuchter Freiheitsberaubung durch das LG Leipzig!

– ein Prozessbericht

Nach zähem Kampf sprach heute das Landgericht Leipzig einen jungen Leipziger, der neben einem Leipziger Kollegen durch Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Herbert Posner, Plauen, verteidigt wurde, vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung in Tatmehrheit mit versuchter Freiheitsberaubung frei.

Vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Leipzig wurde seit dem 04. März 2013 an insgesamt vier Verhandlungstagen verhandelt – Strafrahmen des Strafvorwurfes der schweren räuberischen Erpressung: mindestens 5 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe!

Das Verfahren begann als reiner Indizienprozess.

Der Täter hatte am 14.04.2011 gegen 13:10 Uhr eine ältere Dame in deren Haus überfallen und unter Drohung mit einem Messer und einem Fäustel, die er beide in der rechten Hand hielt, Schränke durchsucht und Bargeld geraubt. Zudem habe er die geschädigte ältere Dame in ihre ebenerdig gelegene Küche gesperrt, aus der sie durch das Küchenfenster geflüchtet sei.
Wohl zeitgleich, soll er wahrscheinlich mit einem silberfarbenen BMW-Kombi ohne (!) Dachreling vom Tatort weggefahren sein.

Der Angeklagte hatte zweimal, zuletzt ca. 30 Minuten zuvor, bei der Geschädigten angerufen. Diese registrierte den zweiten Anruf und nahm ab, er legte jedoch sofort wieder auf, ohne sich zu melden.
Über die Rufnummer ermittelte man ihn, sein Standort zu der Zeit nur 1,5 Km entfernt und stellte zudem fest, er könnte Zugriff auf den silbernen 3er BMW Touring seines Vaters gehabt haben, was der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der  Anklage ausreichend erschien.

Dass der BMW des Vaters zu der Zeit kaputt war und zudem über eine Dachreling verfügte, die Durchsuchungen ohne Ergebnis blieben, der Angeklagte einen Sprachfehler hat, von dem die Geschädigte nichts erwähnte etc., fiel dann wohl in die Kategorie „unerheblich“, wenn man einen Ermittlungserfolg sucht …

Es wurde spannend!

Die Anklage stützte sich auf folgende Indizien:

  1. Der Angeklagte hatte 2x (11:59 Uhr und 12:39 Uhr) bei der Geschädigten angerufen.
    Diese hat lediglich das 2. Telefonat angenommen, der Anrufer habe sich aber nicht gemeldet.
    Bei diesem Anruf war das Handy nur ca. 1,5 km entfernt vom Haus des Opfers.
  2. Der Täter sei vermutlich mit einem silbernen BMW Kombi ohne Dachreling geflüchtet.
  3. Es wurden Schuhabdrücke von Sportschuhen gesichert. Laut Geschädigter trug der Täter allerdings dreckige Arbeitsschuhe. Ein Paar Sportschuhe wurde beim Angeklagten sichergestellt. Der Sachverständige konnte sie als Verursacher "nicht ausschließen".
  4. Beim Angeklagten wurden eine Strumpfmaske und Messer gefunden.

Der Angeklagte verteidigte sich zur Sache schweigend.

In der Hauptverhandlung am 04.03.2013 sagte die Geschädigte:

– Sie habe nur einen Anruf mitbekommen;
– der Täter trug hohe Schuhe, nicht solche Turnschuhe, wie vom Angeklagten;
– die ihr vorgelegte Strumpfmaske und die Messer, die beim Angeklagten anlässlich der Durchsuchung aufgefunden wurden, seien anders, als die des Täters;
– die Statur des Angeklagten könnte zum Täter passen.

 

Nach der Vernehmung der Zeugin gab es eine Pause; der Angeklagte stand mit seinen beiden Verteidigern vor dem Gericht. Die Zeugin kam heraus, stellte sich direkt vor ihn, schaute ihn an und sagte spontan:

"Sie können es nicht gewesen sein. Sie sind ja viel zu klein!"

Das wiederholte sie in erneuter Vernehmung auch gegenüber dem Gericht.
Auf Bitte der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zog sie sogar noch ihre Schuhe aus, blieb aber dennoch dabei, dass der Angeklagte zu klein gewachsen sei.

Am dritten Verhandlungstag wurden zunächst die ehemalige Freundin des Angeklagten und dessen Vater vernommen.
Beide bestätigten, dass der Angeklagte wohl an diesem Tag in den Vorort fahren wollte, um übers Internet bestellte Autoteile abzuholen. Während die Freundin erklärte, dass er später auch mit den Teilen wieder nach Hause zurückgekehrt sei, erläuterte der Vater, er habe aufgrund dieser Rekonstruktion des Tagesablaufes versucht, im Internet nach Telefoneinträgen zu Autoteilehändlern in dem Ort zu recherchieren.
Obwohl der Ehemann der Geschädigten eigentlich mit einem Taxi-Eintrag im Telefonbuch stehe, sei dessen Nummer bei der Autoteile-Recherche mit angezeigt worden. Er, der Vater, habe daraus gefolgert, dass der Angeklagte losgefahren sei, bei der von ihm zunächst angefahrenen Firma ohne Erfolg blieb und sodann vom Handy aus die diversen Telefonnummern durchprobierte. Da sich die Geschädigte beim ersten Versuch nicht gemeldet hatte, sei sicher später der zweite Versuch erfolgt, bei dem sich der Angeklagte nicht meldete, da er zwangsläufig vernahm, dass dies nicht die gesuchte Adresse sein konnte.

Diese Vermutung unterstützte Rechtsanwalt Herbert Posner mittels einer auf DIN A3 gedruckten Google-Luftbildaufnahme und unter deutlicher Kritik am ermittelnden Kriminalbeamten.
Der hatte zwar die Lokalisation des Handys vorgenommen und später auch verschiedene Autoteile-Firmen angerufen, jedoch eine Beziehung dieser beiden Ansätze, insbesondere der Orte zueinander, unterlassen. Hätte er dies getan, hätte er festgestellt, dass sich der Angeklagte bei seinem zweiten Anruf in einem Weg unmittelbar neben einer der durch den Kriminalisten kontaktierten Firmen befand.

Für die Überraschung des Tages sorgte jedoch der Diensthundeführer, der mit seinem Hund der Fährte des Räubers gefolgt war.
Dieser erklärte, dass er nach erfolgloser Spurverfolgung zum Haus der Geschädigten zurückgekehrt sei, wo inzwischen die Kripo ebenfalls eingetroffen gewesen sei.
Einer dieser Beamten hätte ihm eine blaue Stoffmütze als dem Täter gehörig gezeigt, jedoch verweigert, dass er sie für eine erneute Spurensuche nutzt, da sie zur DNA-Untersuchung gebraucht werde.

Es entstand allgemeines Staunen im Saal, tauchte doch an keiner Stelle der Ermittlungsakte ein Hinweis auf eine solche Mütze auf.
Befragt, ob er vielleicht den Tatort angesichts seiner häufigen Einsätze verwechsle, bekräftigte der Beamte, dass er sich sicher sei, denn er habe sich in dieser Sache so sehr darüber geärgert.

Dadurch wurde nun ein weiterer Verhandlungstag zur erneuten Vernehmung des Aktensachbearbeiters notwendig.
Diese Vernehmung brachte jedoch nichts ein, da der Sachbearbeiter erklärte, erst zum Tatort gekommen zu sein, als der Diensthundeführer bereits fertig gewesen sein. Wenn eine Mütze gefunden worden wäre, wäre er froh gewesen, da man dann einen Ansatz für eine DNA-Untersuchung gehabt hätte. Er könne sich allenfalls vorstellen, dass der Hundeführer aus den Erzählungen der anderen Beamten mitbekommen haben könnte, dass die Überfallene dem Täter zu Beginn dessen Basecap vom Kopf geschlagen hatte. Da es jedoch nicht mehr am Tatort war, müsse es der Täter später wieder mitgenommen haben.

Sodann wurden die Plädoyers gehalten.

Zum völligen Erstaunen der Verteidiger, plädierte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft auf Verurteilung des Angeklagten.
Zwar habe die Geschädigte ihn als Täter nicht zu 100% bestätigt, aber auch Übereinstimmungen mit dem Täter geschildert. Dass sie meinte, der Täter sei größer, als der Angeklagte gewesen, sei unerheblich, da sie sich in der Überfallsituation sicher in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Durch das Gefühl der Unterlegenheit habe sie sich sicher nur kleiner gefühlt, als sie tatsächlich ist. Auch die mögliche Suche des Angeklagten nach Autoteilen und dadurch bedingte Anrufversuche sei nicht nachvollziehbar. Zudem wäre es nach ihrer Auffassung dann normal gewesen, wenn er sich am Telefon gemeldet hätte.
Schließlich sei der Angeklagte früher auch mal Taxifahrer gewesen und hätte daher Insiderwissen, dass Taxiunternehmer ihr Geld normalerweise zu Hause aufbewahren.
Auch der Schuhabdruck habe zu seinen Sportschuhen gepasst.

Als sie dann noch ausführte, der Angeklagte habe nicht bestritten … und er hätte sich leicht verteidigen können, indem er Belege für die Autoteile hätte vorlegen können, war es geradezu ein Kraftakt, als Verteidiger nicht aufzuspringen und die Staatsanwältin nicht in ihrem Rederecht zu stören, argumentierte sie doch damit gegen das Gesetz, dem auch sie verpflichtet ist..

Ein kleiner Exkurs zum Recht zu Schweigen:
Beim Schweigen handelt es sich um ein elementares Wesensmerkmal eines rechtsstaatlichen Verfahrens und nicht um die unnötige Erschwerung der Tätigkeit des Richters (KG Berlin, Urteil v. 11.06.2010, Az: 2 Ss 157/10); Schweigen genießt vielmehr Verfassungsrang (BVerfG NJW 1981, 1431). Es dürfen keinerlei negative Rückschlüsse daraus gezogen werden, wenn ein Angeklagter zum Tatvorwurf völlig schweigt (BGHSt 32, 140, 144). Insbesondere darf beim Schweigen des Angeklagten das Gericht nicht vermuten, der Angeklagte habe etwas zu verbergen.

Es könne sein, dass der Angeklagte in dem Vorort irgendwann Autoteile geholt habe, aber die Ex-Freundin und der Vater hätten sich schließlich nicht auf einen bestimmten Tag festlegen können.

Schließlich habe sie keine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, so dass er zu verurteilen sei.
Sie beantragte daher, ihn wegen der schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe am unteren Rand, also in Höhe von 5 Jahren und 6 Monaten, wegen der versuchten Freiheitsberaubung durch Einsperren der Geschädigten in die ebenerdig gelegene Küche zu 90 Tagessätzen und ihn folglich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 7 Monaten zu verurteilen.

Rechtsanwalt Posner sah dies in seinem Plädoyer naturgemäß völlig anders, erbat jedoch zunächst noch eine allseitige Protokollerklärung –insbesondere von Seiten der Staatsanwaltschaft-, um einen von ihm für möglich erachteten Revisionsgrund zur Frage der Öffentlichkeit des Verfahrens, ausschließen zu können. Die Protokollerklärungen wurden aufgenommen, wonach Rechtsanwalt Posner mit seinem Plädoyer beginnen konnte.
Er führte aus, dass schon vor Prozessbeginn die Indizienlage gegen den Angeklagten äußerst dürftig gewesen sei und sich im Laufe der Verhandlungen nicht etwa verbesserte, sondern noch mehr in sich zusammengebrochen sei.
Den ermittelnden Kriminalbeamten kritisierte er scharf. In einem Zwischenfazit warf er diesem vor, dass sich für ihn, RA Posner, diese Art der Ermittlungsarbeit entweder als

– hoffnungslose Arbeitsüberlastung,
– schlechte Ausbildung,
– fehlendes Arbeitsinteresse oder
– Schwierigkeit bei der Bewältigung von Denkvorgängen

seitens des ermittelnden Kriminalhauptkommissars darstelle.

Er führte sodann zu jedem herangezogenen Indiz die dagegen sprechenden Punkte aus.
Nachdem das einzig „harte Indiz“ der Anruf nebst Geodatenlokalisation vom Handy des Angeklagten sei, sei es dem Ermittler offenbar entgangen, eine Beziehung zu den von ihm ermittelten Autoteilefirmen herzustellen. Sonst hätte er wahrgenommen, dass sich das Handy zur Zeit des Anrufes unmittelbar neben einer Autoteilefirma in einem Seitenweg befand. Ergänzend verwies er dazu auf eine, dem Gericht bereits übergebene, Luftbildaufnahme mit eingezeichneten Lokalisationspunkten von Handystandort und Autoteile-Händler.

Den -aus Sicht von Posner- wohl naheliegendsten Ermittlungsansatz hatte man erst gar nicht verfolgt.
So schrieb der Beamte in seiner Tatortbeschreibung, dass sich das Haus der Geschädigten in einem offenbar recht neuen Wohngebiet befinde, in dem einige Häuser noch im Bau befindlich, andere erst gerade fertiggestellt seien. Trotz dieser Kenntnis und der Beschreibung der Täterschuhe als halbhohe, dreckige Arbeitsschuhe, nahm er diesen Ermittlungsansatz nicht auf und tat dies in der Hauptverhandlung damit ab, er habe am Tag des Überfalls keine Bauarbeiter umliegend wahrgenommen. Auch später habe er dort keine Ermittlungen geführt.

Sodann wandte sich Rechtsanwalt Posner dem Plädoyer der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zu und nahm auch hierzu in sehr deutlicher Weise Stellung, was an dieser Stelle nicht wiederholt werden muss. Er endete dazu mit den Worten, dass jemand, der Paragraphen kennt, noch lange keine guter Jurist sein müsse und beantragte,

den Angeklagten freizusprechen.

Nachdem anschließend der zweite Verteidiger des Angeklagten in seinem Plädoyer einige Ergänzungen vorgenommen hatte und mit demselben Ergebnis endete, wie sein Vorredner, zog sich die Kammer für ca. 30 Minuten zur Beratung zurück.

Um 16:40 Uhr erging dann folgendes

Urteil im Namen des Volkes:

  1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
  2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
  3. Es wird festgestellt, dass die Staatskasse dem Grunde nach verpflichtet ist, den Angeklagten für durch die Durchsuchungen etwa entstandenen Schäden zu entschädigen.

Die Kammer begann ihre Begründung mit dem Grundgedanken des Deutschen Strafprozessrechts: „Lieber ein Schuldiger auf freiem Fuß, als ein Unschuldiger verurteilt.“
Sie gab der Verteidigung Recht, dass die Ermittlungen „wohl nicht optimal“ verlaufen seien und die ohnehin schwache Indizienlage, die schon beim Beschluss zur Eröffnung des Verfahrens Sorge bereitet habe, im Verlauf der Hauptverhandlung nochmals deutlich schlechter geworden sei.
Das Telefonat allein lasse schon zu viele Deutungsmöglichkeiten zu, als dass man darauf eine Verurteilung stützen könne. Zudem hinterließ die Geschädigte auch bei der Kammer den Eindruck, „äußerst taff“ zu sein, so dass ihre Äußerung zur falschen Körperlänge des Angeklagten von erheblichem Gewicht sei. Zusammengefasst war der Angeklagte freizusprechen.

Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr eine Woche (bis zum 24.04.2013, 24 Uhr) Zeit, sich Gedanken dazu zu machen, ob sie Revision zum Bundesgerichtshof einlegen will.

Nachtrag: Das Urteil wurde durch die StA nicht angegriffen und ist nunmehr rechtskräftig!

Landgericht Zwickau – Taxifahrer als Drogenkurier erhält Bewährungsstrafe

Zwickau, 12.12.2012, 13:30 Uhr: ein Teil der Verfahrensakten

Am vierten und letzten Verhandlungstag im Drogenprozess um einen 62-jährigen Taxifahrer, der von Mitte 2008 bis Anfang 2010 von einer türkischen Drogenbande als Kurierfahrer benutzt wurde, wurde heute das Urteil gesprochen.
(Bild rechts: ein Teil der zugehörigen Verfahrensakten)

 

Dem angeklagten Taxifahrer wurde mit Anklage der Staatsanwaltschaft Zwickau vorgeworfen, in 27 Fällen als Mitglied einer Bande Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getrieben und davon in 10 Fällen zugleich die BtM (Crystal und Marihuana) aus Tschechien eingeführt zu haben.
Insgesamt sollte er laut Anklage 5.390,7 Gramm Crystal sowie mindestens 21 Kg Marihuana transportiert haben.

Die Verfahren gegen die anderen Bandenmitglieder, durch die Ermittlungsbehörden als "Bossa Nova"-Verfahren bezeichnet, waren inzwischen sämtlich abgeschlossen und mit Freiheitsstrafen zwischen 3 Jahren 6 Monaten und 8 Jahren geahndet worden.
Die Bande kontrollierte zwischenzeitlich den Drogenmarkt zwischen Leipzig, Chemnitz und Nürnberg von Plauen aus.

Im Laufe der Verhandlung wurden die Vorwürfe durch Einstellungen gem. § 154 StPO reduziert auf lediglich 5 Fälle der Einfuhr von Betäubungsmitteln aus Tschechien (mind. 300 Gramm Crystal, mind. 15 Kg Marihuana) sowie eine Lieferung von 290,7 Gramm Crystal nach Nürnberg.
Trotz dieser erheblichen Reduzierung der Zahl an Fällen und damit auch der Rauschgiftmengen waren in den Plädoyers die Standpunkte von Staatsanwaltschaft und Verteidiger zum Strafmaß nach wie vor unvereinbar, wenngleich alle Verfahrensbeteiligten nach der Beweisaufnahme davon überzeugt waren, dass der Angeklagte gerade nicht als Mitglied zur Bande gezählt werden konnte.
Die StA beantragte auch weiterhin die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren, der Verteidiger hingegen 2 Jahre MIT Bewährung sowie Aufhebung
eines in dieser Sache durch das AG Zwickau erlassenen Arrestbeschlusses über 211.750,- EUR.

Das heutige Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts Zwickau lautete:
 
  1. Der Angeklagte wird wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen,
    jeweils in Tateinheit mit Einfuhr von
    Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
                                                        2 Jahren
    verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird
    .
  2. Aufgrund der überlangen Verfahrensdauer gelten hiervon 3 Monate bereits als vollstreckt.
  3. Im Umfang der Verurteilung trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens; soweit das Verfahren eingestellt wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Als Bewährungsauflage wurden dem Angeklagten 200 Stunden gemeinnützige Arbeit binnen eines Jahres auferlegt.

Der durch das AG Zwickau im Ermittlungsverfahren im Juni 2010 erlassene Arrestbeschluss über 211.750,- EUR nebst zugehörigen Pfändungsbeschlüssen wurden zudem aufgehoben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung hierzu abgab, während der Angeklagte das Urteil annahm und auf Einlegung von Rechtsmitteln verzichtete.

Ergänzung:
Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein, die mit Urteil des BGH am 09. Juli 2013 (AZ.: 5 StR 213/13) verworfen wurde.
Bericht dazu siehe hier:
http://rechtsanwaltskanzlei-plauen.de/?p=836

 

Der Gedächtnisverlust – wie leicht man vom braven Auszubildenden zum Sexualverbrecher abgestempelt wird –

Ergänzungen zum weiteren Werdegang – siehe unten


(Ein realer Fall im Kampf gegen Vorverurteilungen)

Montag, 7:54 Uhr – in einem Kinderheim in Thüringen bekommt ein Mädchen eine SMS von ihrer besten Freundin, ebenfalls Heimbewohnerin: „Hilfe! Ich bin gerade in einer fremden Wohnung aufgewacht und weiß nicht, wo ich bin. Die Wohnungstür ist verschlossen. Sag dem Erzieher Bescheid.“

7:58 Uhr – neue SMS: „Er hat gerade eine SMS gesandt, dass er um 9:00 Uhr zurückkommt. Ich habe Angst. Ich muss hier weg. Ich bin in einem kleinen Dorf im Vogtland. Die Adresse lautet xxxx. Habe den Wohnungsschlüssel nun gefunden.“ (in der SMS teilte sie die korrekte Adresse mit)

9:03 Uhr – bei der Polizei geht der Anruf einer alten Dame aus einem Dorf im Vogtland ein. Sie teilt mit, dass bei ihr ein 15-jähriges Mädchen sei, das nicht wisse, wie sie in das Dorf gekommen sei.

Per Fax kommt von der Polizeidienststelle am Ort des Kinderheimes in Thüringen eine Vermisstenanzeige mit Nachfrage nach einem 17-jährigen Bewohner des Dorfes im Vogtland.

Das Mädchen wird durch die Polizei abgeholt und vernommen.

Sie erzählt, sie sei am Tag zuvor gegen 17:00 Uhr nach dem Schwimmen mit einer Freundin zu Fuß auf dem Rückweg zum Heim gewesen. Es habe hinter ihr eine schwarze BMW Limousine gehalten. Fahrer und Beifahrer seien ausgestiegen und hätten sie nach dem Weg gefragt. Dann ende ihre Erinnerung, noch während sie dabei gewesen sei, den Weg zu erklären.

Heute sei sie gegen 8:00 Uhr in einer fremden Wohnung in einem Bett aufgewacht, habe mit ihrer Freundin SMS gewechselt, den Wohnungsschlüssel gefunden und sei aus der Wohnung geflüchtet. Dann habe sie die alte Dame angesprochen, dass diese für sie die Polizei rufen soll, um sie zurück ins Heim zu bringen. Schmerzen habe sie nur leicht im Unterbauch, Verletzungen keine.
Die auf dem von ihr mitgeführten Handy befindlichen SMS werden angesehen und abfotografiert.

Anschließend wird sie im Krankenhaus untersucht. Verletzungen wurden nicht festgestellt.

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass die Wohnung, in der sie sich befunden haben muss, von dem 17-jährigen jungen Mann gemietet ist, nach dem die Thüringer Polizei bereits angefragt hatte.
Die ermittelnde Kommissarin tauscht mit den Beamten in Thüringen Informationen aus und beschließt dann, sofort eine Wohnungsdurchsuchung dort vorzunehmen. Sie nimmt zuvor keinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft auf, um einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, der in Eilfällen auch vorab mündlich erteilt werden kann, zu erhalten, sondern schreibt in die Akte, es liege Gefahr im Verzug vor, da Gefahr bestehe, dass Beweismittel vernichtet werden könnten.

Auch Zeugen werden nicht zur Durchsuchung hinzugezogen und das für den minderjährigen Beschuldigten zuständige Jugendamt wird entgegen der Polizeilichen Dienstvorschrift 382 (PDV 382) ebenso wenig verständigt, wie auch sonst die Vorschriften bei Verfahren gegen Jugendliche unbeachtet bleiben.

In den Durchsuchungsbericht schreibt die Kommissarin später, sie habe mit der für diese Sachverhalte zuständigen Staatsanwältin telefoniert und diese "habe die Maßnahme gutgeheißen".

Die Kommissarin und drei weitere Beamte dringen entweder um 15:16 oder gegen 16:00 Uhr (Zeiten sind streitig) mithilfe eines Schlüsseldienstes in die Wohnung des jungen Mannes ein. Das Bettzeug wird gesichert und die Wohnung wird durchsucht.

Als die Kommissarin gerade –so schreibt sie später– einen Durchsuchungszeugen suchen gehen wollte, sei überraschend der Beschuldigte in der Wohnung aufgetaucht.

Das Mädchen, das die Beamten zur Durchsuchung mitgenommen hatten, habe eine Panikattacke bekommen, der junge Mann wurde geschnappt und ins Bad verfrachtet, sodann das Mädchen nach kurzer Intensivbetreuung aus dem Haus gebracht.

Dann wird dem jungen Mann eröffnet, dass gegen ihn seit dem Vormittag ein Strafverfahren wegen eines Sexualdeliktes laufe. Er habe, so ist später in der Akte zu lesen, auf Hinzuziehung von Zeugen oder eines Rechtsanwaltes verzichtet.

Der Beschuldigte stellt die Sachlage den durchsuchenden Beamten gegenüber völlig anders dar. Die Kommissarin gibt dies wie folgt wieder:

Er sei nach einem gemeinsamen Geburtstagskaffeetrinken zusammen mit dem Mädchen von seiner Mutter am Abend zuvor in seine Wohnung gebracht worden. Sie seien am Morgen gemeinsam aufgestanden und er sei zu seiner Ausbildungsfirma gegangen. Sie hätten ausgemacht, dass er gegen 09:00 Uhr in seiner Pause zum gemeinsamen Frühstück wieder in die Wohnung zurückkomme.

Als er gegen 09:00 Uhr zurückgekommen sei, habe er eine leere Wohnung vorgefunden.
Sein Tabak und sein Stopfgerät seien weg, aber es hätten noch Sachen des Mädchens umhergelegen.

Er habe am Vortag und heute SMS-Nachrichten mit ihr ausgetauscht, die beweisen würden, dass er die Wahrheit sage. Mit einer Sicherstellung seines Handys sei er einverstanden.

Da er die Rufnummer seines Vaters nicht nennen konnte, habe er den Vorschlag der Kommissarin, anderweitig einen Familienangehörigen ausfindig zu machen, nur zur Kenntnis genommen.

Seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Herbert Posner, bei dem er eine gute Woche später mit seiner Mutter einen Termin hat, schildert er später die Durchsuchungssituation in wesentlichen Punkten anders:

Die Wohnung hätten seine Eltern für ihn gemietet, da er in dem Dorf eine Ausbildung mache und weder von der Wohnung der Mutter, noch der des getrennt lebenden Vaters dorthin gelangen könne.

Er habe seinen Vater anrufen wollen, doch die Beamten hätten ihm sein Handy schon vorher weggenommen gehabt. Sie hätten sich geweigert, es ihm dafür zurückzugeben mit der Begründung, dass er ja sonst SMS hätte löschen können. Sowohl sein Vater, als auch seine Mutter seien unter entsprechenden Einträgen im Telefonverzeichnis des Handys gespeichert gewesen, so dass es den Beamten ein Leichtes gewesen wäre, deren Nummern auszulesen. Er habe den Rest der Woche bei seiner Mutter verbracht, da er zu fertig war, als dass er hätte arbeiten gehen können.

Durch die Aktion gelte er in dem Dorf nun als Sexualverbrecher. Was soll man dort mangels anderer Informationen auch sonst denken?!

Im weiteren Aktenverlauf finden sich dann Mitteilungen der Polizei in Thüringen, dass die Geschichte des Mädchens auch gelogen sein könne. Sie habe kurz vor einer Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie gestanden und sei in dem Monat bis auf zwei Tage ständig vom Heim abgängig gewesen. Man habe nun auch gegen das Mädchen ein Verfahren wegen Vortäuschens einer Straftat eingeleitet.

Die leibliche Mutter des Mädchens sagte gegenüber der Polizei Thüringen sinngemäß: „Ich würde das meiner Tochter nicht glauben.“

Die informatorische Befragung der Mutter des Jungen und Zeugenvernehmung von deren Freundin bestätigen, dass beide Frauen die jungen Leute mit dem Auto zur Wohnung des Jungen gefahren haben, nachdem beide Jugendlichen am Geburtstagskaffee teilgenommen hatten.

Als vorerst letztes Blatt der Ermittlungsakte findet sich dann ein Vermerk der Staatsanwältin.

Diese teilt darin mit, sie sei in dem mit der Kommissarin geführten Telefonat mitnichten gefragt worden, ob sie mit der Durchsuchung einverstanden sei. Im Gegenteil, die Durchsuchung sei zu der Zeit offenbar schon im Gange gewesen. Es sei lediglich über eine mögliche Haftrichtervorführung des Beschuldigten gesprochen und von ihr eine solche abgelehnt worden.

Durch Rechtsanwalt Posner wurde anschließend Strafanzeige wegen psychischer Körperverletzung gegen die Kommissarin erstattet, zugleich Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie und gegen die erfolgte Durchsuchung Beschwerde zum Amtsgericht erhoben.

Schon der offensichtliche Widerspruch zwischen der Aussage des Mädchens, sie habe nicht gewusst, wo sie sei und dem Text der SMS, in dem sie die genaue Anschrift mitteilt, obwohl sie sich zu dem Zeitpunkt noch in der Wohnung befunden haben will, hätte nach Auffassung des Verteidigers jeden Polizeibeamten hellhörig werden lassen müssen.

Stutzig macht zudem die Tatsache, dass der zeitliche Ablauf durch die Kommissarin in einigen Punkten von nachweisbaren Tatsachen abweichend dargestellt wird.

So sind die Zeitangaben im Durchsuchungsbericht nicht in Einklang zu bringen mit den (stets genauen) Zeitangaben im Polizeilichen Lagefilm, der im Revier beim Wachhabenden geführt wird und aus dem das Verständigen und Eintreffen des Schlüsseldienstes vor Ort zeitlich deutlich früher eingetragen ist. Der Widerspruch der Darstellung der Kommissarin zur Bitte des Beschuldigten, seinen Vater anrufen zu dürfen und zur Darstellung im Durchsuchungsbericht hierzu, mag derzeit hier unkommentiert bleiben.

Das Amtsgericht hat nunmehr per Beschluss die Durchsuchungsmaßnahme als unzulässig bezeichnet.

Es ist davon auszugehen, dass das Verfahren gegen den jungen Mann in nicht allzu ferner Zukunft eingestellt werden wird.

Ob sein Ruf im Dorf indes jemals wieder hergestellt zu werden vermag, erscheint jedoch äußerst fraglich, denn der Volksmund sagt für gewöhnlich: „Irgendetwas wird schon dran gewesen sein!“ …


Ergänzungen:

Am 10.07.2012 erreichte Herrn Rechtsanwalt Posner die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft.

Sie lautet:

Ermittlungsverfahren    gegen xxx

     wegen Vergewaltigung

 

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Posner,

in dem oben genannten Verfahren habe ich mit Verfügung vom 02.07.2012 folgende Entscheidung getroffen:

Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Es hat sich herausgestellt, dass [der Beschuldigte] unschuldig ist.

In der Begründung heißt es dazu, dass nicht nur die Teilnehmer der Geburtstagsfeier am Tag vor der Verständigung der Polizei bestätigt haben, dass das Mädchen daran ganz normal teilgenommen habe und anschließend von der Mutter des Beschuldigten und deren Freundin in dessen Wohnung gefahren worden sei, sondern auch, dass die Freundin des angeblich geschädigten Mädchens befragt wurde.
Diese habe mitgeteilt, dass sie keineswegs mit der „Geschädigten“ im Schwimmbad gewesen sei und dass diese häufiger derartige Lügen erzählen würde, um sich selbst als unschuldig zu präsentieren.

Es sei daher, so die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, von einer erwiesenen Unschuld des Beschuldigten auszugehen.

August 2012:
Das Strafverfahren gegen die Polizistin wurde inzwischen durch die Staatsanwaltschaft gem. § 170 II StPO eingestellt.
Zumindest am erforderlichen Vorsatz habe es ihr gemangelt.

Das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen die Beamtin wird, so kann man vermuten, ausreichen, um sie zukünftig (wieder) in alle – auch entlastende Richtungen – denken zu lassen, wenn sie ein solches Verfahren auf den Tisch bekommt …

Der Verteidiger fragt sich, ob sie dem jungen Mann irgendwann eine schriftliche Entschuldigung zukommen lassen wird!?
Wie er sich gefühlt haben mag, wird sie nun durch den Druck des eigenen Verfahrens zumindest ansatzweise verstehen können.

Der älteren Dorfbewohnerin, die ohne Verschulden von einem vermeintlich armen, hilflosen Mädchen in die Geschichte mit hineingezogen wurde, wurde im Einverständnis mit dem Mandanten und dessen Eltern der Abdruck eines anonymisierten Berichtes zugesandt.

[Anm.: dieser Fall, wenngleich wie eine Geschichte geschrieben, ist keine Erfindung!
Lediglich Namen und Orte wurden weggelassen, um keine Rückschlüsse auf die realen Personen zu erlauben. Mandant und Eltern haben einer Veröffentlichung in dieser Form zugestimmt.]

Amtsgericht Auerbach spricht Polizeibeamten vom Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr frei

18.01.2012, Auerbach: Freispruch für Polizeibeamten

Unter den Augen und Ohren fast eines ganzen Polizeirevieres, die als Zuschauer an der Verhandlung teilnahmen, wurde heute gegen den Beamten einer anderen Dienststelle wegen des Vorwurfes der Trunkenheit im Verkehr verhandelt.

Am Ende der Verhandlung stand für Richter und Rechtsanwalt Herbert Posner als Verteidiger – anders als für die Staatsanwaltschaft – fest, dass man nur wisse, dass der Beamte irgendwann während seiner Dienstzeit mit seinem PKW von A nach B gefahren ist und dass er irgendwann an diesem Tage Alkohol konsumierte.

Feststellungen jedoch, dass er alkoholisiert auch das Fahrzeug bewegte, bevor er deutlich angetrunken in das Revier in B ging, um sich erklären zu lassen, wie er in B eine bestimmte Straße finde, gab es nicht.
Die dortigen Beamten hatten dies schlicht unterstellt und ihren Kollegen entsprechend behandelt, der Blutentnahme zugeführt und ihm vorübergehend die Fahrerlaubnis weggenommen.

Weitere Ermittlungen, die der Verteidiger im Ermittlungsverfahren beantragt hatte und obwohl das AG Auerbach im Vorfeld aus denselben Gründen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis abgelehnt hatte, wurden durch die Staatsanwaltschaft nicht geführt.

Die StA beantragte heute die Verurteilung des Angeklagten zu 30 Tagessätzen (ein Monatsnetto) sowie zu 9 Monaten Fahrerlaubnisentzug.
Nach deren Auffassung sei die Darstellung des Angeklagten unglaubhaft, woraus der Schluss gezogen wurde, da er (nach Auffassung des StA) die Unwahrheit sprach und sich nicht gleich gegen die polizeilichen Massnahmen gewehrt habe, müsse er auch schuldig sein.

Eine merkwürdige Auslegung deutschen Strafprozessrechtes, wie der Verteidiger meint …

Das Gericht führte aus, dass dafür eine Überzeugung des Gerichtes derart schwerwiegend vorliegen müsse, die vernünftige und ernsthafte Zweifel an der Unschuld des Angeklagten ausschließt. Zu Zweifeln komme man erst gar nicht, denn es mangele hier schon an der Überzeugung …

Fazit: es gab heute viel zu lernen – zu den Anforderungen an vollständige Ermittlungen, zum Grundsatz dass die Staatsanwaltschaft nach § 160 II StPO auch zur Entlastung tätig werden sollte und zu den Grundlagen der Rechtsfindung.

Für den Polizeibeamten schließt sich nun noch ein Disziplinarverfahren wegen des Alkoholgenusses in der Dienstzeit an.

Herbert Posner – Rechtsanwalt –
     Fachanwalt für Strafrecht

Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

Mehrfachtäter-Fahrverbot? – Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

Zeitz, 04.01.2012 – Ein Autofahrer, nennen wir ihn hier Schulze, war auf der Autobahn mit 31 Km/h zu viel geblitzt worden.

Soweit, so schlecht – jedoch droht normalerweise in einem solchen Fall außerorts "lediglich" ein Bußgeld und Punkte.
Ein Fahrverbot ist außerorts grundsätzlich erst ab 41 Km/h Geschwindigkeitsüberschreitung fällig.

Leider bei vielen Kraftfahrern noch immer unbekannt, enthält die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) eine Regelung für besonders beharrlich gegen die StVO verstoßende Kraftfahrer, sogenannte Mehrfachtäter.
In § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV ist bestimmt, dass in der Regel auch dann ein Fahrverbot in Betracht kommt, wenn der Kraftfahrer innerhalb eines Jahres zwei- oder mehrmals mit mindestens 26 Km/h zu schnell unterwegs war.

Unser Herr Schulze wußte zwar, dass er zu schnell unterwegs und geblitzt worden war, fühlte sich jedoch hinsichtlich des Fahrverbotes ungerecht behandelt und ging zum Anwalt.
Nachdem dieser Akteneinsicht beantragt und erhalten hatte, stellte sich zwar heraus, dass auch das Messverfahren und die Eichung des Gerätes ordnungsgemäß erfolgt waren. Jedoch befand sich in der Akte auch eine von der Behörde eingeholte Verkehrszentralregisterauskunft zu einem Herrn Schulte, der innerhalb des vorangegangenen Jahres mit 28 Km/h zu viel erwischt worden war.
Daraus hatte die Behörde geschlossen, unseren Betroffenen, Herrn Schulze, als Mehrfachtäter mit einem Fahrverbot "erfreuen" zu müssen.
Der Verteidiger hatte zeitgleich mit dem Akteneinsichtsgesuch auch in Flensburg die Übersendung eines aktuellen Verkehrszentralregisterauszuges (VZR-Auszug) für Herrn Schulze gefordert und erhalten. Dieser war zwar nicht leer, enthielt jedoch nur kleinere Verstöße.

Obwohl der Verteidiger der Behörde sodann mitteilte, dass sein Mandant kein Mehrfachtäter sei und das Fahrverbot zu entfallen habe, beharrte die Behörde auf ihrem Bescheid und gab die Sache über die zuständige Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht Zeitz zur Entscheidung ab.

In der anberaumten Hauptverhandlung am 04.01.2012, von deren Teilnahme Herr Schulze auf Antrag des Verteidigers befreit war, stellte sich heraus, dass das Gericht selbst auch versucht hatte, einen aktuellen VZR-Auszug zu erhalten.
Doch auch dort kam es zu einem Schreibfehler im Namen, so dass lediglich der VZR-Auszug für einen Herrn Schule vorlag.

Nachdem der Verteidiger nun den korrekten Auszug für seinen Mandanten Schulze vorlegte und zur Akte reichte, hob das AG Zeitz folgerichtig das Fahrverbot auf.

Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

Mit der Hose gedacht – 1 Jahr 3 Monate für Geldwäsche

17.11.2011, Plauen:

Ein junger Mann hatte offenbar sein Hirn etwas niedrig angesetzt, als er sich auf die Bitte einer Frau, zu der er Kontakt über eine Partnerschaftsbörse erhalten hatte, einließ und sich bereit erklärte, für sie Pakete anzunehmen und weiterzusenden.

Fortan erhielt er insgesamt 58 Pakete mit zum Teil hochwertigen Elektronikartikeln, allesamt mit geklauten Kreditkartendaten bezahlt, frankierte diese mittels der ihm von der "Mailfreundin" zugesandten Paketaufkleber um und sandte sie weiter.

Zwar hatte er bei einer Lieferung hochwertiger Kameras (Stückpreis 1.500,- EUR) Sorge gehabt; als seine telefonische Anfrage  beim Versandhandel, ob die Artikel bezahlt seien, jedoch mit "Alles bezahlt!" beantwortet wurde, bedenkenlos weiter gemacht. Sogar zwei weitere Freunde spannte er ein, da es ihm allein zu viel wurde.

Auf die Frage des Gerichts, ob er denn wenigstens Geld für seine Dienste erhalten habe, sagte er aus, dass er in der Hoffnung, die Frau auch einmal persönlich kennen lernen zu wollen, kostenlos gearbeitet habe.

Ein teurer Spaß, wie er nun lernen musste:

Die Verfahren gegen seine beiden Freunde wurden gegen Geldauflagen in Höhe von jeweils 800,- EUR eingestellt. Das Geld erstattete der Angeklagte ihnen.

Er selbst wurde heute wegen fahrlässiger Geldwäsche in 58 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten, ausgesetzt auf 2 Jahre zur Bewährung, verurteilt.
Daneben muss er 1.000,- EUR an eine gemeinnützige Organisation zahlen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

24.08.2011 – AG Auerbach spricht vermeintlichen Raser frei!

Vor dem Amtsgericht Auerbach musste sich ein junger Mann verantworten, dem vorgeworfen wurde, innerorts mit 47 Km/h zu schnell gewesen zu sein.
Ihm drohten 200,- EUR, 4 Punkte und 1 Monat Fahrverbot.

Das Bild des Fahrers war mehr als zur Hälfte durch eine Jägermeister-Hawaii-Kette verdeckt.

Über seinen Verteidiger, Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Herbert Posner, ließ er sich dahingehend ein, sich nicht erinnern zu können, das Fahrzeug zur Tatzeit gefahren zu haben. Es komme auch sein Halbbruder als Fahrer in Betracht.

Der zum Hauptverhandlungstermin geladene humanbiologische Sachverständige fertigte von beiden Männern Fotos und arbeitete sie per Computer in das Blitzerbild ein, um schließlich zu dem Schluss zu kommen: "Eine eindeutige Zuordnung, welcher der beiden Männer gefahren ist, ist nicht möglich."

Das Amtsgericht sprach den Betroffenen daher aufgrund des Zweifelssatzes "in dubio pro reo" frei. Die (nicht unerheblichen) Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

 

 

Die diversen Merkmale, die ein humanbiologischer Sachverständiger für sein Gutachten heranzieht, sind auf den nachfolgenden Schautafeln markiert:

Kopf vorn

 

Kopf seitlich

Irrtum vom Amt: Verzicht auf Fahrerlaubnisklasse ist nicht Verzicht auf Berechtigung zum Führen eines PKW

Mehr Glück als Verstand – Führerscheinstelle formuliert falsche Verzichtserklärung

Nachdem es ein Führerscheininhaber mit offenbar besonders lockerem Gasfuß geschafft hatte, die magische 18-Punkte-Grenze in seiner  Flensburger Führerscheinkartei trotz mehrerer Punkteabbauseminare zu überschreiten, wollte ihm die zuständige Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis entziehen.

Um den Erlaß eines förmlichen Entzugsbescheides mit den verbundenen Kosten, aber auch Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen,  zu umgehen, wurde ihm angeboten, (unfreiwillig-) freiwillig auf seine Fahrerlaubnis zu verzichten.

Hierfür wurde dem Betroffenen durch das Landratsamt Greiz 2008 eine vorformulierte Verzichtserklärung mit folgendem Text zur Unterschrift vorgelegt:

"Ich verzichte hiermit unwiderruflich auf folgende Fahrerlaubnisklasse:
A, BE, C1E, CE, M, L.

Ich bin darauf hingewiesen worden, dass für mich keine Möglichkeit besteht, diesen Verzicht auf die o.a. Fahrerlaubnisklassen zu widerrufen.

Mir ist bekannt, dass ich einen Antrag stellen und mir eine neue Fahrerlaubnis erteilen lassen muss, falls ich erneut ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug der o.g. Klassen, auf die ich verzichtet habe, führen will."

Der Betroffene verfügte daneben bereits seit 2005 über eine in einem anderen Land der EU ausgestellte Fahrerlaubnis, welche ihn zum Führen von PKW (Klasse B) berechtigte.

Nachdem er nun in Deutschland mehrfach am Steuer eines PKW gesehen wurde, wurde er aufgrund seiner o.g. Verzichtserklärung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt.

Zunächst wurde lange darüber gestritten, ob er nicht aufgrund seines ausländischen Führerscheines hätte fahren dürfen. Dies hatte jedoch das AG Plauen verneint und ihn zunächst wegen, allerdings nur fahrlässigen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt.

In der Berufung vor dem Landgericht Zwickau erfolgte dann jedoch der Freispruch!
Das LG stellte fest, dass er mit oben genannter Erklärung weder freiwillig auf die Fahrerlaubnisklasse B verzichtete, noch diese entzogen worden sei. Er sei zum Führen eines PKW berechtigt gewesen.

Vor diesem Hintergrund musste über die Wirksamkeit der ausländischen EU-Fahrerlaubnis nicht mehr entschieden werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwar gegen dieses LG-Urteil zunächst Revision eingelegt, diese aber anschließend wieder zurückgenommen.

Offenbar suchte man dort einen einfacheren Weg und erhob wegen einer weiteren PKW-Fahrt des Angeklagten erneut Anklage zum AG Plauen, was dort auf wenig Gegenliebe stieß.
Der Amtsrichter lehnte die Eröffnung des Verfahrens unter Hinweis auf die Begründung des Landgerichtes in der vorangegangenen Sache ab.
Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, die diese hauptsächlich damit begründete, die Fahrerlaubnisklassenauflistung in der Verzichtserklärung enthalte nur "Oberklassen". Wie eine Nachfrage bei der betreffenden Sachbearbeiterin der Führerscheinstelle ergeben habe, sei der vollständige Verzicht gemeint gewesen und dies vom Angeschuldigten auch so verstanden worden.
Rechtsanwalt Herbert Posner, als Verteidiger des Betroffenen, hielt dem entgegen, dass es solche "Oberklassen" hier nicht gebe, insbesondere der Verzicht auf die Klasse BE nicht etwa einen Verzicht auf die Klasse B enthalte und im übrigen kein Raum für eine weitergehende Auslegung der Erklärung bestehe, da deren Wortlaut eindeutig sei.

Dem folgte nun das Landgericht und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
Maßgeblich sei der objektive Inhalt der Verzichtserklärung. Die Fahrerlaubnisklassen, auf die verzichtet wurde, seien eindeutig und abschließend aufgezählt. Auf das, was ggf. im Vorfeld dazu besprochen wurde und wie die Mitarbeiterin des Landratsamtes dies aufgefasst hat, komme es nicht an.

Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.


Anmerkung:

Soweit hier bekannt, benutzt die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes Greiz diesen Verzichtsvordruck bereits seit mehreren Jahren sowohl in Fällen überfüllter Punktekonten, als auch in Fällen, in denen wegen Alkohol und/oder Drogen ein Führerscheinentzug für erforderlich erachtet wurde. Anschließend wird dem Kraftfahrtbundesamt der Entzug mitgeteilt, so dass dort eine Punktelöschung erfolgt.

Es ist von einer Mehrzahl an Personen auszugehen, die trotz vermeintlichen Verzichts tatsächlich noch einen PKW fahren dürften, zugleich aber die "Wohltat" der Punktelöschung in Flensburg erlebt haben. Voraussetzung dürfte sein, dass in ihren früheren Führerscheinen mehr als nur die Klasse B eingetragen war.

erneut: Auch 2011 keine nachträglich erteilten Weisungen in Bewährungsauflagenbeschluss

2010 hatte ein Richter des Amtsgerichtes die Idee, zu Bewährungsstrafen verurteilte "Kunden" zum Hexenfeuer und zum Männertag davon abzuhalten, in der Öffentlichkeit Alkohol zu konsumieren.

Er erließ daher gegen diverse, unter Bewährung stehende Verurteilte einen Beschluss, in dem diesen aufgegeben wurde, sich

a) am Freitag, dem 30.04.2010 in der Zeit von 19.00 Uhr bis 23.00 Uhr
(Hexenfeuer in Sachsen)

und

b) am Donnerstag, dem 13.05.2010 in der Zeit von 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr
(Christi Himmelfahrt – Männertag/Vatertag)

alle zwei Stunden bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden.
In der Zeit zwischen den Meldungen wurde es dem Verurteilten in dem Beschluss untersagt, in öffentlichen Gaststätten zu verkehren und in der Öffentlichkeit alkoholische Getränke zu konsumieren.

Obwohl das Landgericht schon 2010 deutlich machte, dass ein solcher Beschluss rechtswidrig ist, wurden nun erneut nahezu identische Beschlüsse versandt.

Die Entscheidung des Landgerichts aus 2010 ist hier zu finden: http://rechtsanwaltskanzlei-plauen.de/?p=387

Aktualisierung vom 29.04.2011:

Die erste Entscheidung des Landgerichts Zwickau (AZ: 1 Qs 124/11) liegt vor.
Erwartungsgemäß wurde der Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten der Staatskasse auferlegt.
Die Begründung war den drei Berufsrichtern des Landgerichts gerade fünf Worte wert:
                          "Die angeordneten Weisungen sind unverhältnismäßig."
Mehr gibt es dazu allerdings auch nicht zu sagen …

Aktualisierung vom 13.05.2011:

Zwei weitere Entscheidungen des Landgerichts Zwickau, diesmal durch die Jugendkammer,  vom 12.05.2011 (AZ: 5 Qs 134/11 und 5 Qs 135/11) liegen vor.
In einem der beiden Fälle ergab sich die Besonderheit, dass das Amtsgericht der eingelegten Beschwerde schon teilweise selbst abgeholfen hatte, indem es die mehrfache Meldeauflage aufhob. Rechtsanwalt Herbert Posner hatte hierzu in gebotener Kürze geantwortet, dass die Beschwerde dennoch aufrecht erhalten bleibe.

Erwartungsgemäß wurden nun auch diese Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Verurteilten der Staatskasse auferlegt.
Die Begründung war den drei Berufsrichtern des Landgerichts wiederum nur die bereits bekannten fünf Worte wert:
                          "Die angeordneten Weisungen sind unverhältnismäßig."

 

 

 

Urkundenfälschung oder versuchte Bestechung? – Wie schnell der Ruf Schaden leiden kann, wenn der Staatsanwalt seine Möglichkeiten nicht kennt …

Plauen/Chemnitz, 01.03.2011:

Lassen Sie mich mit einer erfundenen Geschichte anfangen:

Stellen Sie sich vor, man schlägt sie auf der Straße nieder. Sie haben Verletzungen, u.a. einen heftigen Kratzer abbekommen. Hilfesuchend wenden Sie sich an die Polizei und erstatten Anzeige. Eine Täterbeschreibung ist Ihnen nicht möglich. Die Polizei schickt einen Streifenwagen los, doch die Beamten können leider niemanden auf der Straße herumlaufen sehen. Also drehen sie um und teilen Ihnen nun mit, die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft, man leite nun ein Verfahren gegen Sie selbst ein wegen des Verdachtes des Vortäuschens einer Straftat. Schließlich hätten Sie sich die Verletzungen ja auch selbst zufügen können.
"Los, zeigen Sie mir jetzt den Finger, mit dem Sie sich selbst den Kratzer beigefügt haben!", fordert der Beamte in bestimmendem Ton auf …

In dieser Art, nur deutlich drastischer, muss es den Geschäftsführern einer Plauener Reha-Einrichtung gegangen sein, als am Morgen des 09.02.2011 plötzlich und zeitgleich Ermittler in der Einrichtung und vor den Wohnungstüren der Geschäftsführer standen und einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr vorlegten.

Aus Sicht der Firma war vorausgegangen, dass sie durch einen Anruf der Freien Presse erfuhren, dass ein angeblich aus ihrem Hause stammendes Schreiben existiere, mit dem, so der Inhalt des Schreibens, vermeintlich niedergelassene Ärzte mit einer sogenannten "Verordnungspauschale" geködert werden sollten, Reha-Patienten zu vermitteln.

Umgehend und ohne das der Presse vorliegende Schreiben selbst in Händen zu haben, wurde Anzeige bei der Polizei wegen Urkundenfälschung etc. erstattet und darauf hingewiesen, dass das betreffende Schreiben zumindest für die Beamten bei der Zeitung zu bekommen sei. Soweit, so gut; eine Kopie des Schreibens wurde später durch die Polizei auch überreicht und man ging von anlaufenden Ermittlungen aus, den Urheber zu ermitteln.

Was das Unternehmen nicht wußte und auch nicht mitgeteilt wurde: Die Staatsanwaltschaft hatte aufgrund einer Anzeige der AOK Plus, der das Schreiben ebenfalls zugeleitet wurde, ein Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer selbst eingeleitet. Was oder ob überhaupt sie insoweit ermittelte, bis sie schließlich einen Durchsuchungsbeschluss beantragte, bleibt derzeit noch im Dunkeln.

Sicher ist, dass die Fantasie des zuständigen Staatsanwaltes scheinbar nach den Möglichkeiten des Zeugenbeweises schnell endete und der Durchsuchungsbeschluss als zu diesem Zeitpunkt einzig mögliches Mittel bezeichnet wurde.

Sicher ist aufgrund eigener Aussage aber auch, dass der Staatsanwalt als Vertreter einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, von der man eine gewisse Spezialisierung erwarten sollte, nicht wusste, dass man durchaus auch Kopien einem Gutachten zur Handschriftenvergleichung unterziehen kann.

Er war, obwohl die Staatsanwaltschaften auf umfangreiche forensische Abteilungen zugreifen können, der irrigen Auffassung, dass solche Gutachten nur bei Originalvorlagen möglich seien. Dies war leider nur halb richtig:

Richtig ist,  dass mit Fotokopien zwar nicht der Nachweis der Echtheit möglich ist, aber sehr wohl der Nachweis der Fälschung.

(vgl.: http://schriftvergleichung.de/download/fotokopien.pdf)

Nachdem die Rufschädigung durch die Durchsuchungsmaßnahme und die Veröffentlichung dazu erfolgte, hat die Reha-Einrichtung nun selbst ein solches Gutachten eingeholt, das im Ergebnis das Schreiben der Fälschung entlarvt!

Mit wenigen hundert Euro ein geringer Aufwand im Verhältnis zu drei bis fünf Beamten an jedem Durchsuchungsort zuzüglich Präsenz des Chemnitzer Staatsanwaltes in Plauen, von der Rufschädigung ganz zu schweigen. Zudem hätte der Ermittlungsrichter nach Vorlage eines solchen Gutachtens keinesfalls den für eine Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht bestätigt.
Heute nun trat das Unternehmen mit einer Pressekonferenz und Veröffentlichung des entlastenden Gutachtens an die Öffentlichkeit.

Ob die Staatsanwaltschaft nun endlich intensiver in die andere Richtung ermittelt, bleibt abzuwarten.

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Medienberichte zum Thema:

Filmberichte:

www.Sachsen-Fernsehen.de: http://www.sachsen-fernsehen.de/default.aspx?ID=1095&showNews=936026

www.MDR.de: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/8290039.html
(Anm.: Videos von öffentlich rechtlichen Sendeanstalten dürfen nur begrenzte Zeit online zum Abruf dargeboten werden)

 

Presse:

Freie Presse:

Erstbericht vom 24.02.2011: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/THEMA_DES_TAGES_REGIONAL/7598208.php

01.03.2011: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/THEMA_DES_TAGES_REGIONAL/7602087.php

 

Vogtlandanzeiger: http://www.vogtland-anzeiger.de/Vogtland_Anzeiger/index.php?menuid=29&reporeid=4061

 

Schwere Körperverletzung – Angeklagter zu 5 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt

Zwickau/Plauen, 22.02.2011:

Nach lediglich zwei intensiven Verhandlungstagen endete heute bereits das Verfahren um eine schwere Körperverletzung, die sich in Plauen ereignet hatte. Im Vorfeld fanden aus Terminierungsgründen zwei kurze Verhandlungstage in Abwesenheit von Nebenkläger und RA Posner statt, in denen absprachegemäß lediglich die Anklage verlesen und der Angeklagte zu seiner persönlichen Entwicklung befragt worden war.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, im Juli 2010 vor einer Hotel-Gaststätte in Plauen-Chrieschwitz dem Nebenkläger unvermittelt ein Messer mit einer Klingenlänge von 6 bis 7 cm in den Kopf gestoßen zu haben.

Der durch Rechtsanwalt Herbert Posner vertretene Geschädigte erlitt hierdurch erhebliche Hirnverletzungen, die dazu führten, dass sein Kurzzeitgedächtnis verloren, sein Sichtfeld auf dem rechten Auge, der Geruchssinn und die Motorik von rechtem Arm und Bein erheblich eingeschränkt sind. Ob er jemals wieder in seinem erlernten Beruf wird arbeiten können oder im Hinblick auf seine Gedächtniseinschränkung umschulungsfähig sein wird, konnte zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht prognostiziert werden.

Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Zwickau verurteilte den Angeklagten heute

wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung

zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten.

Zudem wurden ihm die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklage auferlegt und
der Haftbefehl vom 13.07.2010 aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr aufrecht erhalten.

Der Angeklagte, der sich zur Tat nicht selbst, sondern nur über seinen Verteidiger eingelassen hatte, hatte anläßlich seiner Festnahme am 14.07.2010 noch behauptet, er habe dem Nebenkläger das Messer nicht zielgerichtet in den Kopf gestoßen und dies auch nur deshalb, da er zuvor durch den Nebenkläger geschlagen worden sei und einen weiteren Schlag fürchtete. Ähnlich hatte sich ein am Tatort anwesender Bekannter von Täter und Opfer geäußert, der zudem entgegen der weiteren Beweisaufnahme bekundete, er habe vor dem Geschehen Kampf- und Blutspuren in der Wohnung des späteren Opfers gesehen. Dieser habe ihm erzählt, er habe den Angeklagten geschlagen.
Unmittelbar nach dieser bereits gegenüber der Polizei getätigten Aussage, waren die Kriminalbeamten in die Wohnung des Geschädigten gefahren und konnten trotz Hinzuziehung eines Spezialisten der Kriminaltechnik weder Kampf-, noch Blutspuren in der Wohnung feststellen.

Nur dem glücklichen Umstand, dass sich die Tat unmittelbar vor einem Hotel abspielte, das aufgrund mehrerer Vorfälle in der Vergangenheit über eine Video-Überwachungsanlage verfügte, ist es zu verdanken, dass das wahre Tatgeschehen bewiesen werden konnte.

Die Tat spielte sich im unmittelbaren Erfassungsbereich einer der erst kurz zuvor modernisierten Kameras ab.
Auf dem in der Hauptverhandlung abgespielten Video war deutlich zu sehen, dass der Geschädigte in gelöster Körperhaltung mit an den Seiten herunter hängenden Armen vor dem Täter stand, als dieser unvermittelt in die Hosentasche griff und das Messer herausholte. Erst dann ging der Geschädigte in eine Abwehrhaltung, konnte aber dem wuchtigen Schlag mit dem Messer, das durch die linke Ohrmuschel und den Schädelknochen hindurch in seinen Kopf eindrang, nicht ausweichen und brach augenblicklich zusammen.

Die in der Hauptverhandlung gehörten Mediziner und der Sachverständige der Rechtsmedizin konnten keine Prognose abgeben, ob und wie weit sich der derzeitige Gesundheitszustand des Geschädigten noch bessern könnte.

Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend den Plädoyers von Staatsanwalt und Rechtsanwalt Posner, die beide wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Strafe von 6 Jahren gefordert hatten.

Der Verteidiger des Angeklagten hatte dementgegen argumentiert, es läge keine schwere, sondern "nur" gefährliche Körperverletzung vor und beantragte eine Bestrafung seines Mandanten in Höhe von 3 Jahren und 10 Monaten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Kindesmisshandlung – kein Mord, aber LG Zwickau fällt hartes Urteil

Zwickau/Plauen, 24.01.2011:

Am 24.01.2011 wurde durch das Schwurgericht des Landgerichts Zwickau das Urteil im Fall des im Juli 2010 getöteten Karsten aus Plauen gesprochen:

  • Der Freund der Kindesmutter wurde wegen Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
  • Die Kindesmutter wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Das Gericht folgte damit den am 17.01.2011 gehaltenen Plädoyers zum Wegfall des ursprünglich angeklagten Vorwurf des Mordes, ging jedoch hinsichtlich der Verurteilung beider Angeklagter über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Freund der Angeklagten der allein Handelnde war und die Kindesmutter aufgrund ihrer geistigen Beeinträchtigung sowie aus Angst, den Partner zu verlieren, sich nicht gegen dessen Handeln gestellt und ihr Kind beschützt habe. Dabei sei ihr selbst angesichts ihrer geistigen Defizite ein Handeln möglich und zumutbar gewesen, zumal noch kurz vor der zum Tode des Jungen führenden Tathandlung ein Telefongespräch zwischen ihr und der Betreuerin stattgefunden habe. Hätte sie auch nur den kleinsten Hinweis gegeben, dass etwas nicht in Ordnung sei, sei mit Sicherheit Hilfe sofort zur Stelle gewesen.

Das Gericht ging in seiner Begründung davon aus, dass die Misshandlungen bereits spätestens Ende Juni / Anfang Juli begannen. Der Angeklagte Jürgen S., der zwar zuvor in einem kinderreichen Umfeld aufgewachsen sei und sich bis dahin stets kinderlieb gezeigt habe, sei nach Wegfall der Unterstützungen durch den Opa des Kindes und der Betreuerin mit der Erziehungssituation völlig überfordert gewesen. Hierauf habe er mit sich steigernder Gewalt gegen den Jungen reagiert.

Soweit beide Angeklagte sich gegenseitig der finalen Tathandlung beschuldigten, sei man von der Darstellung der Kindesmutter ausgegangen, wenngleich diese das eigentlich zum Tode führende Schütteln des Kindes nicht gesehen habe. Ihre Aussagen seien jedoch von dem in der Aussagepsychologie geforderten Detailreichtum geprägt, der zur Feststellung eines echten Erlebnishintergrundes erforderlich sei, während die Aussagen des Mannes eher als detailarm und pauschalisierend zu bezeichnen seien.

Zwar lasse sein anschließendes Bemühen um Rettung des Kindes erkennen, dass kein Mordvorsatz bestanden habe, gleichwohl aber habe er den Tod des Kindes zumindest billigend in Kauf genommen, womit der Tatbestand des Totschlages in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener erfüllt sei.

Soweit der Verteidiger des Angeklagten Jürgen S. moniert habe, dass keine Beweise zum Vorleben des Angeklagten erhoben worden seien, sei klarzustellen, dass die Beweisrichtung des Gerichtes auf den jeweiligen Umgang mit dem Tatopfer gerichtet war und hierzu zwangsläufig die durch den Verteidiger benannten Zeugen aus dem Vorleben des Angeklagten naturgemäß keine Aussage hätten treffen können.

In der Strafzumessung sei man hinsichtlich des Angeklagten von einem Strafrahmen bis zu 15 Jahren ausgegangen, habe sein Teilgeständnis positiv, aber auch die Tatsache, dass er gleichzeitig zwei Straftatbestände erfüllt habe, negativ berücksichtigt und die Strafe insofern eher am oberen Rand festgesetzt.

Bei der Kindesmutter, deren Strafrahmen aufgrund doppelter Strafmilderung (§ 21 und § 13 Abs. 2 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 StGB) lediglich bis zu rund 8 1/2 Jahren reiche, sei man gerade aufgrund der Tatsache, dass es noch kurz vor der finalen Tathandlung ein Telefonat zwischen ihr und ihrer Betreuerin gegeben habe, in dem sie nur ansatzweise hätte um Hilfe bitten müssen, von einer um ein Jahr höheren Strafe ausgegangen, als die Staatsanwaltschaft gefordert habe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht muss, da die Hauptverhandlung länger als drei Tage andauerte, sein schriftliches Urteil binnen sieben Wochen (14.03.2011) schriftlich zur Akte bringen.

Beide Angeklagte haben binner einer Woche die Möglichkeit, das Urteil mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) anzufechten und diese binnen eines Monats ab Zustellung des schriftlichen Urteiles zu begründen.

Rechtsanwalt Posner machte keinen Hehl daraus, dass er seinem Mandanten die Einlegung der Revision anraten werde. Die Entscheidung darüber habe jedoch der Angeklagte selbst zu treffen.

———————-

Die Revisionen beider Angeklagter wurden durch den Bundesgerichtshof (BGH) verworfen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Kindesmisshandlung – Plädoyers gehalten; Urteil am 24.01.11

Plauen/Zwickau, 17.01.2011:

Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Zwickau wurde heute die Beweisaufnahme geschlossen und die Plädoyers gehalten.

Zunächst hatte die Kammer einen Beweisantrag des Verteidigers Posner vom 07.01.2011 abgelehnt und die Beweistatsachen überwiegend als wahr unterstellt, wodurch eine Zeugeneinvernahme der durch den Verteidiger benannten Zeuginnen aus Gangelt verhindert wurde.

Die Wahrunterstellung bewirkt nun, dass die Kammer unter anderem als wahr voraussetzen muss, dass der von Rechtsanwalt Posner verteidigte Angeklagte

  • bezüglich seines Patenkindes in Gangelt Erziehungsaufgaben wahrnahm, mit diesem ausgiebig spielte, ihn niemals schlug und sich nie aggressiv gegen das Kind zeigte;
  • mit den drei Kindern der Schwester seiner langjährigen Freundin in Gangelt stets in liebevoller Weise umging und
  • seine Halbschwester ihn stets als lieb und freundlich erlebte und ihm jederzeit ihre Kinder anvertrauen würde.

Zwar hielt die Kammer diese Tatsachen für die Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Angeklagten von Bedeutung, allerdings nicht die hierzu vorzunehmende Vernehmung der Zeuginnen, sondern ersetzte dies durch die Wahrunterstellungen, an die es nun auch im Urteil gebunden ist.

Einen weiteren Antrag des Verteidigers auf Einholung eines weiteren psychiartrischen Sachverständigengutachtens wegen eines behaupteten bleibenden Schadens des Angeklagten durch Hirnkrämpfe lehnte die Kammer ebenfalls ab, da der schon gehörte Sachverständige eine forensich relevante Schädigung des Gehirns des Angeklagten bereits negiert hatte.

Sodann hielt der Oberstaatsanwalt sein Plädoyer:

Er sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den aktiven Part innerhalb der Beziehung übernommen hatte und die Angeklagte Mutter nicht etwa nur aus vorgegebener Angststarre nicht eingeschritten sei, sondern viel mehr, als sie es zugegeben habe, auch aus Verlustangst handelte und alles tat, um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Er habe allerdings dadurch schalten und walten können, wie es ihm gepasst habe.

Zugleich hielt er dem Angeklagten zugute, dass er nicht etwa von Beginn an eine feindliche Einstellung zum Kind einnahm, aber als durch den schlagartigen Wegfall sämtlicher Hilfsangebote Probleme auftraten, habe eine Lösungsstrategie hergemusst. Hier sei dann aufgrund eigenen Erlebens in seiner Kindheit die Anwendung von Gewalt physischer, aber auch psychischer, Art als Lösung gewählt worden, die sich im Laufe der Zeit gesteigert habe.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft zeigte sich überzeugt, dass die Gewalt vom Angeklagten ausging, aber die mitangeklagte Mutter es mitbekam und genug Möglichkeiten gehabt habe, Hilfe zu suchen. Sie habe daher in vorwerfbarer Weise durch Unterlassen gehandelt. Das Schützen des eigenen Kindes sei fraglos nicht an das Vorhandensein einer bestimmten Mindestintelligenz gebunden, sondern stelle einen Urtrieb dar.

Den ursprünglich mit der Anklage erhobenen Vorwurf des Mordes ließ der Oberstaatsanwalt fallen, da es hierzu am Vorsatz zur Verwirklichung eines Mordmerkmales fehle. Zudem spreche auch seine Initiative zur Rettung des Kindes und selbst vorgenommene Reanimation gegen diese rechtliche Einordnung.

Jedoch sei für den Angeklagten ein bedingter Tötungsvorsatz (billigend in Kauf genommen) anzunehmen, so dass dieser wegen Totschlages in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener gehandelt habe. Aus dem hierfür anzuwendenden Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren beantragte er, den Angeklagten Freund der Kindesmutter zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren zu verurteilen.

Anders liege der Fall bei der Kindesmutter selbst. Diese habe es zwar unterlassen, gegen die fortgesetzten Körperverletzungen ihres Freundes an ihrem Sohn vorzugehen und habe diese auch wahrgenommen, jedoch habe sie nicht gewusst, was der Freund in der finalen Handlung mit dem Kind mache, da sie sich nicht im Kinderzimmer aufgehalten habe. Daher sei ihr der durch den Angeklagten ausgeübte Totschlag nicht zuzurechnen, so dass sie lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu verurteilen sei.

Aufgrund des verbliebenen Vorwurfes, in der Tatform des Unterlassens gehandelt zu haben und des Gutachtens des psychiartrischen Sachverständigen, der ihr eine verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt habe, sei der bei ihr anzusetzende Strafrahmen (drei bis 15 Jahre) doppelt zu mindern, so dass ein Strafrahmen von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe von acht Jahren und 7 Monaten zur Verfügung stünde.

Hieraus beantragte er, die angeklagte Kindesmutter zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zu verurteilen.

Nach einer Unterbrechung von fast zwei Stunden erteilte die Kammer für beide Angeklagte den Hinweis, dass hinsichtlich des Vorwurfes von Schutzbefohlenen nicht nur der angeklagte Tatzeitraum vom 11. – 13.07.2010 in Betracht komme, sondern ein Zeitraum von zumindest schon 14 Tagen vor dem angeklagten Tatzeitraum.

 

Anschließend hielt Rechtsanwalt André Steuler als Verteidiger der Kindesmutter sein Plädoyer:

Er nahm in weiten Teilen Bezug auf das Plädoyer des Staatsanwaltes, untermauerte dies noch mit Einzelheiten aus den Vernehmungen und verlesenen Aussagen einer Ärztin.

Er führte aus, seine Mandantin habe die "Verbote" des Freundes als eigenes Regelwerk übernommen und angenommen, was er ihr gesagt habe. Zum Zeitpunkt des Schüttelns, das zum Tode führte, sei sie nicht im Zimmer gewesen und habe dies nicht mitbekommen.

Daher schloß er sich der beantragten rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft an und beantragte, das von dieser Seite genannte Strafmaß als Obergrenze aufzunehmen.

 

Rechtsanwalt Herbert Posner begann sein Plädoyer zunächst mit einem Dank an Staatsanwalt und Verteidiger der Kindesmutter, dass diese natürlich entsprechend ihrer Verfahrensrolle, aber stets fair verhandelt hätten.

Hinsichtlich der Kammer allerdings brachte er zum Ausdruck, dass seinem Mandanten ein faires Verfahren verwehrt worden sei. Er habe sogar zwischenzeitlich überlegt, sein Plädoyer zu verweigern, da er nicht davon ausgehe, dass die Kammer es ernsthaft hören werde. Sie habe im Laufe des Verfahrens elf Zeugen hinsichtlich der Vorlebens und der Entwicklung der Kindesmutter gehört, jedoch nicht einen Zeugen für seinen Mandanten; im Gegenteil, sie habe sogar jeden darauf gerichteten Antrag abgelehnt. Die Arbeit mit Wahrunterstellungen könne einen persönlichen Eindruck im Gerichtssaal keinesfalls ersetzen.

Dieser Eindruck sei bereits aufgrund der einseitigen Ladungsliste aufgekommen, jedoch habe er zu dieser Zeit noch (irrig) angenommen, die Kammer werde sich dem Thema zumindest auf Antrag zuwenden.

Sinngemäß hielt er es für unmöglich, dass die Kammer den gesetzlichen Auftrag, ihrem Urteil die Tat und die Täterpersönlichkeit zugrunde zu legen, nachkommen könne.

Zum Tatverlauf wich er von den beiden vorangegangenen Plädoyers ab, indem er versuchte, anhand der Aussagen der Kindesmutter in der Verhandlung, aber auch schon bei der Ermittlungsrichterin, aufzuzeigen, dass diese zwar minderintelligent, jedoch durchaus in der Lage sei, auf einfache Art zu lügen. Ein einfaches Bestreiten eigener Handlungen und Zuschreiben selbiger auf den Freund sei ihr jederzeit möglich, wie auch der psychiartrische Sachverständige auf Frage bestätigt habe. Entgegen der Aussage des Angeklagten und den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen, die beide von länger andauernden Misshandlungen sprachen, der Angeklagte von zumindest zwei Wochen, hatte die angeklagte Mutter stets lediglich von drei Tagen berichtet. Ein deutliches Zeichen, sich selbst durch eine Lüge zu schützen.

Gerade das Argument des Verteidigers der Kindesmutter, sie habe die "Verbote" des Freundes als eigenes Regelwerk übernommen und angenommen, was er ihr gesagt habe, lasse darauf schließen, dass sie selbst Hand anlegte. Zudem habe sie selbst geschildert, wie bestürzt der Angeklagte reagiert habe, als er erstmals den blau geschlagenen Po des Kindes gesehen habe. Insofern sei der Angeklagte zwar der aktivere und bestimmende Teil der Beziehung gewesen, nach Auffassung Posners jedoch keinesfalls Alleintäter im Sinne des Handelns.

Sodann nahm er Bezug auf das Plädoyer des Staatsanwaltes hinsichtlich des Wegfalls des Mord-Vorwurfes, lehnte jedoch zudem den Vorwurf des Totschlages ab, da das voluntative Element des Vorsatzes nicht gegeben sei, nachdem sein Mandant gerade durch die Initiative zur Rettung des Kindes gezeigt habe, dass er den Todeseintritt keinesfalls gewollt habe. Folge man dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, müsse man zudem die Fragestellung des strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch beachten.

Es bleibe, so Posner, bei einer Verurteilung des Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, deren konkrete Höhe er in das Ermessen des Gerichtes stellte.

 

Das Gericht vertagte sich anschließend und setzte Termin für die Urteilsverkündung auf Montag, den 24.01.2011, 14 Uhr, an.

 

Anmerkung: Erfreulich, dass nunmehr scheinbar nicht mehr von Mord ausgegangen wird. Dies hatte Rechtsanwalt Posner bereits mit derselben Begründung in der Vernehmung seines Mandanten vor der Ermittlungsrichterin am 15.07.2010 dargelegt.

Video des MDR-Sachsenspiegel zum heutigen Prozesstag: http://www.mdr.de/mediathek/8117852.html

Audiobericht von MDR-Info: http://www.mdr.de/mediathek/8117376.html

Kindesmisshandlung – ggf. Ende der Beweisaufnahme und Urteil am 17.01.11?

Zwickau/Plauen, 07.01.2011:

Im Verfahren um den Tod des im Alter von 2 Jahren und 3 Monaten verstorbenen Jungen aus Plauen, angeklagt u.a. als Mord vor dem Schwurgericht des Landgerichts Zwickau, könnte sich der Prozess nach inzwischen vier Verhandlungstagen seinem Ende nähern.

Nachdem bislang 9 Zeugen gehört, zwei Zeugenaussagen gelesen wurden und sowohl die rechtsmedizinische Sachverständige aus Jena, wie auch der psychiartrische Sachverständige aus Dresden ihre Gutachten erstatteten, wird das Gericht bis zum nächsten Verhandlungstermin am 17.01.2011 über einen Beweisantrag von RA Posner entscheiden. 

Dieser hat beantragt, fünf Zeuginnen aus dem familiären Umfeld seines Mandanten zu laden, u.a. um die Möglichkeit zu haben, sich ein umfassendes Bild vom Angeklagten machen zu können, nachdem dies durch eine Vielzahl an Zeugen bezüglich der Kindesmutter bereits erfolgte. Zudem sei ein umfassendes Gutachten des psychiartrischen Sachverständigen aus seiner Sicht ansonsten kaum denkbar. Die Unterlassung der Ladung von Zeugen aus dem familiären Umfeld seines Mandanten bezeichnete er zudem als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot umfassender Sachverhaltsaufklärung und, im Hinblick auf die Vielzahl der zur Kindesmutter gehörten Zeugen, zudem als Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Einen ähnlichen Antrag hatte die Kammer jedoch bereits am 06.01.2011 zurückgewiesen. Auch um den neuen Antrag überhaupt vortragen zu können, musste sich der Verteidiger das Wort erkämpfen, da der Vorsitzende bereits beginnen wollte, den Sachverständigen zu hören und den Verteidiger aufforderte, seinen Antrag (der dem Vorsitzenden bereits in Schriftform auf dem Tisch lag) später zu stellen. Es wurde äußerst deutlich, dass der Vorsitzende, wenn ihm irgendwie möglich, die Ladung der Zeuginnen vermeiden will.

Die Verbescheidung des Antrages wurde zurückgestellt und mitgeteilt, dass bis zum nächsten Termin am 17.01.2011 darüber entschieden werde.

Sollte das Gericht eine Möglichkeit finden, den Antrag zu umgehen durch teilweise Zurückweisung, teilweise sogenannte Wahrunterstellung, dürften wohl am 17.01.2011  die Plädoyers gehalten und das Urteil gesprochen werden.

Zum Ende des heutigen Sitzungstages ergingen noch rechtliche Hinweise an den Angeklagten, dass statt einer Verurteilung wegen Mordes auch eine solche wegen Totschlags oder wegen Körperverletzung mit Todesfolge erfolgen könne. Hinsichtlich der Kindesmutter erging der Hinweis, dass statt einer Verurteilung wegen Mordes auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge erfolgen könne. Hinsichtlich beider Varianten wurden zudem tateinheitlich begangene Misshandlung von Schutzbefohlenen und Verletzung der Fürsorgepflicht angeführt.

Insoweit seien hier nochmals die unterschiedlichen Strafrahmen genannt, innerhalb derer dann eine angemessene Strafe durch das Gericht zu finden wäre:

  • Mord (§ 211 StGB) – lebenslange Freiheitsstrafe (eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist frühestens nach 15 Jahren möglich – § 57a StGB, wenn nicht das Gericht zudem die besondere Schwere der Schuld der/s Täter/s feststellt);
  • Totschlag (§ 212 StGB) – 5 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe;
  • Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) – 3 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe;
  • Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB) – 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe;
  • Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (§ 171 StGB) – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.

Sollte demzufolge keine Verurteilung wegen Mordes erfolgen, wären die dann zur Verfügung stehenden Strafrahmen deutlich niedriger.

Hinsichtlich der Kindesmutter ist zudem zu beachten, dass dieser nach den Ausführungen des psychiartrischen Sachverständigen offenbar Strafmilderung gemäß § 21 StGB zuzubilligen ist und zudem, sollte ihre Schuld in einem Unterlassen gesehen werden, zudem gemäß § 13 Abs. 2 StGB das Strafmaß nochmals gemildert werden könnte.

Schwere Körperverletzung – Verhandlungsauftakt am 13.01.2011

Vor dem Landgericht Zwickau wird am 13.01.2011 mit der Verhandlung um eine als schwere Körperverletzung angeklagte Tat aus Juli 2010 begonnen. Aufgrund von Terminierungsschwierigkeiten sind zwar bislang fünf Verhandlungstermine angesetzt, jedoch wird intensiv voraussichtlich erst ab dem 21.02.2011 verhandelt werden.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Juli 2010 vor einer Gaststätte in Plauen dem Nebenkläger unvermittelt ein Messer mit einer Klingenlänge von 6 bis 7 cm in den Kopf gestoßen zu haben.

Der durch RA Posner vertretene Geschädigte erlitt hierdurch erhebliche Hirnverletzungen, die dazu führten, dass sein Kurzzeitgedächtnis verloren, sein Augenlicht auf einem Auge und die Motorik der rechten Körperseite erheblich eingeschränkt sind.

Dem Antrag der Nebenklage, das Verfahren nicht lediglich wegen schwerer Körperverletzung, sondern wegen versuchten Mordes zu eröffnen, kam die Große Strafkammer des LG Zwickau im Eröffnungsbeschluss nicht nach.

Kindesmisshandlung – Verhandlungsauftakt am 04.01.2011

Am 4. Januar 2011 beginnt die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts Zwickau um den Tod des 2-jährigen Jungen gegen dessen Mutter und deren Freund.

Angesetzt sind zunächst fünf Verhandlungstermine.

Die Anklage lautet auf gemeinschaftlich begangene Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei tatmehrheitlichen Fällen und tatmehrheitlich begangenen Mordes in der Variante des Mordmerkmales "aus sonstigen niedrigen Beweggründen".

Kind unter tragischen Umständen verstorben, Vater wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Plauen, 23. Dezember 2010: Ein tragischer Fall von Kindestötung wurde unmittelbar vor Weihnachten durch das Amtsgericht Plauen juristisch abgeschlossen.

Durch das Amtsgericht Plauen wurde der durch RA Herbert Posner verteidigte Vater eines Säuglings wegen fahrlässiger Tötung seines knapp zwei Monate alten Sohnes zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt.

Das angeklagte Geschehen war tragisch:

Um die Kindesmutter in Ruhe schlafen zu lassen, ging der Vater nachts mit dem Säugling in einen anderen Raum, um ihm die Flasche zu geben.

Anschließend legte er sich dort neben das Baby auf das Sofa, um es zum Einschlafen zu bringen, bevor er es zurück ins Kinderbett legen wollte.

Hierbei schlief er jedoch selbst ein. Der Säugling starb durch sogenanntes "sanftes Ersticken", da er im Schlaf zwischen seinem Vater und der Sofalehne eingeklemmt wurde und so nach Aussage des Gutachtens der Gerichtsmedizin keine Luft mehr bekam.

Das Urteil wurde sofort rechtskräftig, da alle Prozessparteien auf Einlegung von Rechtsmitteln verzichteten.

Kindesmisshandlung – beide Beschuldigte inzwischen begutachtet

Plauen / Vogtland, September 2010

Im Fall des durch Misshandlungen verstorbenen 2-jährigen Jungen wurden zwischenzeitlich beide Beschuldigte hinsichtlich ihrer Schuldfähigkeit begutachtet.
Die Ausfertigung und Übersendung der Gutachten steht noch aus.

Auch wenn es sich um eine Haftsache handelt und damit beschleunigter Bearbeitung unterliegt, wird nicht unbedingt damit zu rechnen sein, dass das Hauptverfahren noch in diesem Jahr beginnen wird.

Nachträglich erteilte Weisungen in Bewährungsauflagenbeschluss rechtswidrig

LG Zwickau, 5 Qs 87/10 jug.

Mit Beschluss vom 07.05.2010 hob die Jugendkammer des LG Zwickau die durch das Amtsgericht nachträglich erteilten Weisungen eines Bewährungsauflagenbeschlusses auf.

Der Jugendrichter beim Amtsgericht hatte mit dem angegriffenen Beschluss dem Verurteilten aufgegeben, sich

a) am Freitag, dem 30.04.2010 in der Zeit von 19.00 Uhr bis 23.00 Uhr
(Hexenfeuer in Sachsen)

und

b) am Donnerstag, dem 13.05.2010 in der Zeit von 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr
(Christi Himmelfahrt – Männertag/Vatertag)

alle zwei Stunden bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden.
In der Zeit zwischen den Meldungen wurde es dem Verurteilten in dem Beschluss untersagt, in öffentlichen Gaststätten zu verkehren und in der Öffentlichkeit alkoholische Getränke zu konsumieren.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Verurteilten, aufgrund derer das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichtes aufhob und feststellte, dass die schon durchgeführten Maßnahmen rechtswidrig waren.

Das Landgericht führte in seinem Beschluss aus:

Die Beschwerde des Verurteilten ist zulässig. Nach § 59 Abs. 2 JGG kann die Beschwerde allerdings nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Bewährungsanordnung gesetzwidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2004, 89 bis 90 mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerde ist auch begründet. Zwar kann das Gericht nach § 23 Abs. 1 JGG Bewährungsauflagen und Bewährungsweisungen (§ 56 c StGB) nachträglich ändern oder aufheben.
Auch dieses dem Gericht gesetzlich eingeräumte Ermessen ist jedoch rechtsstaatlich gebunden. Sinn der Vorschrift ist es, Auflagen und Weisungen während der Bewährungszeit den wechselnden Verhältnissen, also dem Bewährungsfortschritt oder -rückschritt anzupassen; es muss sich die objektive Situation oder der Informationsstand des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht geändert haben. Dass das Gericht anderen Sinnes geworden ist, reicht nicht aus (vgl. OLG Stuttgart aaO).
Dem gleichzustellen ist, wenn der bewährungsüberwachende Richter zur Notwendigkeit bestimmter Bewährungsauflagen und -weisungen eine andere Meinung vertritt als das letzte erkennende Gericht (Anm.: das war in diesem Fall ebenfalls das LG Zwickau).

Vorliegend hat der Verurteilte alle ihm in diesem Verfahren obliegenden Bewährungsauflagen und -weisungen erfüllt. Für weitere Weisungen hat er bislang keinen Anlass geboten. Weder die objektive Situation noch der Informationsstand des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht hat sich geändert.

Die Jugendkammer brauchte deshalb nicht darüber befinden, ob die angeordneten Weisungen unverhältnismä&